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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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Umlaufbahn zwingen konnte.
    »Langsam, langsam« - hatte sie gesagt, als wir uns zum ersten Mal in ihrer Wohnung küßten.
    »Ja - Vorsicht, Vorsicht« - hatte ich geantwortet, denn eines wollte ich ganz bestimmt nie wieder erleben -ich wollte nie wieder, von der Besinnungslosigkeit der erotischen Mächte getrieben, alles über Bord werfen, woran ich mühsam zu glauben begonnen hatte. Ich meine Wachheit, Klarheit, analytisches Denken und all die anderen Dinge, die mit den Kräften der Natur nicht im Einklang stehen.
    Es war herrlich zu bemerken, daß es ihr ähnlich ging
    - daß auch sie ein Mensch war, dem Leidenschaft nur das schafft, was im ersten Teil des Wortes steckt - nämlich »Leiden«.
    Es ist betörend, einer Frau zu begegnen, die diesen Aspekt des Lebens genauso zu empfinden begonnen hat wie man selbst. Es ist wie das Besteigen der Eiger-Nordwand in sauerstoffgerätlosem Alleingang, und plötzlich taucht eine Begleitung auf, die denselben Gipfel ansteuert. Der »Yeti«, zuckt es im ersten Moment durch das Hirn des Alpinisten, weil er sich nicht einmal im Traum vorstellen konnte, jemals eine menschliche Parallele zu finden auf dieser Eroberungstour zur höchsten Erkenntnis - dann aber wird aus dem Schrecken ein staunendes Schweigen, das der Einsicht zu weichen beginnt, daß auch Frauen Menschen sein können. Nein, nein, nein-das war jetzt ein Zitat auf Peter Steiner - ich bin ja nicht besoffen - aber trotzdem, irgendwo trifft er in seiner Schuhverkäufer-Direktheit manchmal gar nicht so weit daneben. »Sie hält meine Hand noch immer fest« - dachte ich, und von mir aus hätte sich überhaupt nichts daran ändern müssen. Die italienischen Zentauren begannen sich auch wieder zu beruhigen, weil sie erkannt hatten, daß dieser Griff nach meiner Hand kein Zufall war, sondern eine vom Herzen geleitete Geste, hinter der mehr verborgen war als nur ein Handschlag unter Bekannten.
    »Noch mehr ein Tier sein« - dachte ich, als ich auf ihre Hand sah, die ihre Finger zwischen meine Finger schob und mit sanftem, starkem Druck meinen Arm zu sich zog -
    »Noch mehr Tier sein und nur mehr das erleben, was die Wahrheit unseres Wesens ist« - dachte ich - »noch mehr alles über Bord werfen, was sich im Laufe eines dreiunddreißigjährigen Lebens oberhalb der Gürtellinie aufzubauen beginnt - und zum Bleigürtel zu werden droht, der sich als Rettungsring tarnt.«
    Sind denn nicht alle Gedanken über die Frauen in den Hirnen der Männer nur aus Schmerzen geboren worden - fragte es in mir, hätte denn jemals ein seliges Männermännchen angefangen, sich über sein polares geschlechtliches Gegenüber Gedanken zu machen, wenn es ein himmlisches Tier geblieben wäre - nein -sage ich - nein - und spreche aus harter Erfahrung. Jeder Gedanke, jedes Wort, das mir zu Frauen einfällt, ist eine bewußt formulierte Konsequenz aus Schmerzen, die durch diese fremdartigen Wesen in meinem Herzen erzeugt worden sind.
    Jedes »In-den-Griff-bekommen-Wollen« ist doch nur der Beweis dafür, daß einem da etwas aus der Hand gerutscht ist - aus der Hand geschlagen wurde - aus dem Herzen - aus der Seele - so ist es doch, und das zu wissen, ist der erste Schritt, sich wieder danach zu sehnen, ein Tierchen zu sein, das nur unterscheiden kann zwischen warm und kalt und nah und fern und Freund und Feind - keine Labyrinthe der Erläuterungen mehr
    - nur mehr der einfache Satz: »Ich liebe deine Hand.« Ach du liebe Güte - das wollte ich nicht sagen, also -ich meine - offensichtlich wollte ich es schon sagen, sonst hätte ich es ja nicht gesagt, aber ich wollte es nicht so schnell sagen - nicht so früh - nicht so unverblümt - nicht so gefühlsduselig drauflos und - mit der Tür ins Haus.
    Jesus, was wird sie jetzt machen - brüllte es in meinem Kopf - ich meine, es war eine herrliche erste
    Woche gewesen, mit viel Lachen und gemeinsamen Blicken in dieselbe Richtung, aber keiner hatte auch nur andeutungsweise oder irgendwie direkt das Wort »Liebe« in den Mund genommen. Wir hatten nicht einmal theoretisch darüber geplaudert - nicht einmal einander mitgeteilt, was andere Menschen zu diesem Thema dachten oder erlebten - nein - wir waren - wir waren voll Harmonie - und die wird ja bekanntlich immer gestört, wenn die Liebe ins Spiel kommt.
    Und jetzt sage ich so einen Kindergartensatz, den sie sicher von jedem anderen erwartet hätte, aber doch nicht von mir -
    »Ich liebe deine Hand« - so ein Wahnsinn!
    Ich meine - das Wort steht zwar nicht

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