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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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allein, aber doch immerhin - es ist da - es war zu hören und wahrscheinlich auch im Klang meiner Stimme zu spüren. Ich kenne mich - wenn ich etwas wirklich meine, bekommt meine Stimme so einen warmen, sanften, unwiderstehlichen Cello-Klang, der alles zum Schwingen bringt - widerlich!
    Da sitze ich ganz gelassen an einem der schönsten Plätze der Welt und erzähle ihr in charmantem Plauderton das verirrte Liebesstreben meines Freundes Peter Steiner - gleichsam als ironischen Hinweis, daß mir nie mehr in meinem Leben irgendwelche Fehler -ganz zu schweigen von solchen wie Peter Steiners Fehler - unterlaufen werden - und dann dieser hinterhältige Überfall aus den dunkelsten Schichten des Unbewußten. Ein terroristischer Torpedo der Sentimentalität, aus den Herzkammern abgeschossen und auf den Lippen zur Detonation gebracht - ich Vollidiot.
    »Doch so einer, dem man nur die Hand halten muß und einmal lächeln, und seine Grammatik ist in der Blutbahn« - wird sie denken und sich innerlich von mir entfernen, wie die Marssonde Phöbos von der Erde. Ihr Lächeln wird von einer Sekunde auf die andere etwas starrer werden - weil sie sich ja unter Kontrolle hat und nicht so plump ist, sich sofort in die Karten schauen zu lassen - dann wird sie ihre Hand zurückziehen und vielleicht sogar noch etwas mehr lächeln, als Draufgabe sozusagen, und dann wird sie sagen: »Ach ja, wie schön für dich« - oder - »Ach komm, bitte nicht so - ich dachte, wir wollen Freunde werden« - das wird sie sagen, und ich werde hoffentlich grinsend erwidern: »War nur ein Test, wie du auf das Thema reagierst, Süße«, dann wird sie sagen: »Quatsch keine Opern, Alter«, und wird aufstehen und gehen wollen - ich werde ihr nachspringen und sie festhalten, worauf sie mir eine ins Gesicht schlagen wird, und zwar mit der Hand, an dem der Brillantring ihres Verehrers steckt, der sie für sein Schloß gekauft hat. Dieser Ring wird mir einen blutigen Kratzer unter das linke Auge reißen, und ich werde das warme, süße Blut auf meinen Lippen schmecken und werde in die Knie sinken und schluchzen: »Bleib -bitte bleib, bitte, bleib - bleib - bitte - ich hab es nicht so gemeint.« Angewidert wird sie sich losreißen und einem dieser wartenden Mafiosi einen unauffälligen Wink geben. Dieser Spaghettifresser wird mir dann noch unauffälliger sein sizilianisches Klappmesser in den Bauch rammen, um den Tod langsam zu erzielen, der bei einem Herzstich ja sofort eintreten würde. Das soll aber nicht sein, damit ich sterbend noch mitverfolgen kann, wie sie der smarte Herr in hellem Tuch am
    Arm packt und sie mit sich durch die gläserne Pendeltür zieht und hämisch grinsend zu mir herüberruft: »Ciao, Tesoro - io amo la tua mano!«
    So wird es sein - so muß es sein - so und nicht anders. »Ich deine.«
     
    Ganz egal, was man vom Leben erwartet oder befürchtet - es kommt immer anders. Es kommt immer so, daß man überhaupt nicht mehr weiß, wozu man eigentlich Erfahrungen macht - wenn man mit fortschreitendem Alter doch nur erfahren muß, daß man nie eine Erfahrung anwenden kann.
    Vielleicht ist die Summe aus all den Tagen des Voran-schreitens diejenige, daß man ganz still wird und sagt: »Der Wind weht, wann er will, und wenn er auf das Segel meines Lebensschiffes trifft, ist es gut - wenn nicht - dann nicht.«
    Diese zwei kurzen Worte waren eine unerwartete Böe, die mich schlagartig dreihundert Kilometer aus der Flaute meiner Ängste und Sorgen hinaustrieb und wieder in Fahrt brachte.
    »Ich deine« - hatte sie gesagt - und offensichtlich genauso unüberlegt wie mein Versuchsballon, der in den Himmel über unseren Herzen gestiegen war. »Santa Maria, was sind wir nur für zwei verwirrte Menschenkinder«, dachte ich und beschloß, ganz ehrlich zu sein. »Ich stelle fest, daß ich ganz schön beschädigt sein muß«, sagte ich und trank mein Mineralwasser aus -»ich stelle fest, daß ich keinen einzigen Gedanken und kein einziges Gefühl ohne doppelten Boden in mir stattfinden lassen kann.«
    »Das nennst du beschädigt -«
    »Ja - das nenne ich beschädigt - ich meine - es wäre doch das Natürlichste von der Welt, dir zu sagen, wie schön es ist, die Stunden der letzten Woche mit dir geteilt zu haben, und wie herrlich es ist, daß wir jetzt in Venedig sind. Ich kann es immer noch kaum glauben, daß du auch mit mir nach Venedig fahren wolltest -obwohl es fast ein halber Scherz war, als ich das gesagt habe. Aber was tue ich - ich sitze hier, und wenn

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