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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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zwischen den Menschen stattfinden und die selbst in der kleinsten Regung hunderttausendmal mehr enthalten, als das Wort bedeuten will, das sie als Überschrift tragen.
    Letzten Endes sind doch alle Benennungen nur Märchen für Erwachsene, die Sehnsucht nach einem deutlichen Anfang und einem unübersehbaren Ende haben. Ich kann damit überhaupt nichts mehr anfangen, Maria - überhaupt nichts mehr.
    Wie soll ich denn dann zum Beispiel das Leben benennen, das Stefan und ich führen?! Ist das Liebe? Ist das Freundschaft? Oder eine gelungene Studiengemeinschaft mit dem Klassenziel, immer selbstgebügelte Hemden im Schrank hängen zu haben?
    Wenn ich daran denke, daß ich zu Susanna >meine Frau< gesagt habe und doch genau weiß, daß wir einander nie gehört haben - geschweige denn, den Mut hatten, uns jemals wirklich zu zeigen, wer wir sind, weil wir ja nicht einmal selbst so richtig wußten, wie unser Bild beschaffen ist.
    Aber bitte - dann sagt man ja >Liebe<, weil man behaupten möchte, daß alle Bedingungen erfüllt sind, die zu diesem Wort und zu dieser Geschichte, die hinter dem Wort steckt, gehören. Ich sage: >Man möchte es behaupten -<, weil man zwar gelernt hat, die äußeren Regeln zu befolgen, die diesem Spiel erst seinen Namen geben - aber einfach die Zutaten zu einem Teig zu verrühren macht auch noch keinen Bäcker. Wenn du weißt, was ich meine.«
    »Ich weiß es, Martin, ich weiß es.«
    »Die unsichtbaren Felder, die um ein Menschenherz liegen und Nahrung für seine Seele herbeischaffen, sind so viel weitreichender, als es ein Wort erfassen kann. Es macht mich immer ungläubiger, daß die Menschen es dennoch immer wieder versuchen und durch diese Begrenzungen das Unvorstellbare aus ihrem Leben verbannen. Das Unvorstellbare - sage ich - das seine Blüten nur daraus bezieht, daß wir darauf hoffen, daß sie sich öffnen. Ich muß dir sagen, ich verstehe immer weniger von all diesen Dingen, von denen ich doch auch einmal geglaubt habe, sie beim Namen nennen zu können. Der Fallstrick liegt nämlich darin, daß man meint, mit einem Namen auch schon den ganzen Inhalt beschworen zu haben und ab diesem Moment nichts mehr unternehmen zu müssen, um ihn am Leben zu erhalten.
    Man sagt zu einer gewissen Art des Wohlbehagens >Liebe< und glaubt, damit sei alles erklärt, damit bleibe die große, rote Kugel auf ewig im Zimmer schweben, und man kann sich wieder dem Fernsehprogramm widmen. >Irrtum< sage ich dir - Irrtum. Schlaglöcher des Satans sind die Namen, die wir den Bewegungen der Seelen geben, die in ununterbrochenem Rhythmus der Gezeiten von Ausdehnung und Zusammenziehung der Enge ihrer Beschriftungen trotzen.
    Ab dem Moment, wo wir >Liebe< hören, glauben wir auch schon daran, daß alles das ablaufen wird, was wir uns selbst darunter vorstellen. Aber wer sagt denn, daß dieser Glaube schon genügt, und wer, bitte, garantiert mir denn, daß ein anderer Mensch dasselbe Bühnenbild entwirft wie ich - wenn er das Wort >Othello< hört.
    Ich behaupte, daß zwischen den Hunderttausenden von Menschenkindern, die sich in diesem Moment mit Eispickeln körperlich oder mit eisigen Worten seelisch abschlachten, nie das im Spiel gewesen sein kann, wozu sie beide eines Tages einmal >Liebe< gesagt haben - weil sie unterschiedliche Morsekurse besucht haben und an unterschiedliche Götter glauben, wenn sie Weihrauch kaufen gehen.
    Wenn ich einen optimistischen Tag habe, dann bin ich bereit, ihnen zu unterstellen, daß sie mit Liebe den Gleichklang der Herzen, der Seelen und der Körper meinen. Der aber ist unmöglich auf ewig herzustellen, es sei denn, es handle sich um eineiige Zwillinge, die an verschiedenen Orten, von einem unbarmherzigen Schicksal getrennt, bei zwei verschiedenen Pokerspielen am selben Tag zur selben Stunde ein Royal Flash haben. So was gibt es - die Statistik beweist es -aber was hat denn Liebe mit Poker zu tun?
    Die Antwort lautet: >Entweder gar nichts oder - mehr als wir glauben<, aber wie auch immer - dieses Beispiel zeigt dir, was ich meine - daß nämlich diese Art von Märchen, die hinter dem Wort >Liebe< stecken sollen, nicht erlebbar sind, es sei denn, in einigen Augenblicken seligen Gleichklangs, der zwei Nicht-Zwillingen manchmal geschenkt wird und der ihre Herzen gleichzeitig streichelt wie ein Schmetterling, dessen Flügel zwei dicht beisammenstehende Blüten zu einem Akkord verbinden.
    Aber auch dieser Moment ist so sternschnuppenhaft kurz, daß er doch nicht als Grundlage dienen sollte

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