Butterbrot
nicht -<
>Nein, ich bin nicht - ist das ein Fehler, muß ich jetzt nachsitzen?!<
Er lachte, legte mir seinen Arm um die Schulter, und so wanderten wir im dämmernden Morgen aus dem Park hinaus, in dem sich die Enten nach einigem Geschnatter und Gequake wieder beruhigten und versuchten, noch eine Mütze voll Schlaf zu ergattern, der nicht mehr von überraschenden Passanten in Alpträume verwandelt wurde.
Wir sind dann zu ihm gefahren und haben Frühstück gemacht. Besser gesagt - er hat Frühstück gemacht, und ich habe zugesehen, weil ich das damals noch besser konnte als Schinken mit Ei zuzubereiten oder ein leichtes Omelett oder ein gut durchgezogenes Müsli, das -«
»Wir gehen ja dann ohnehin essen.««
»Was?!«
»Ich will sagen - bleib bitte nicht so lange bei deinem Lieblingsthema stehen, sonst kriege ich nicht mit, wovon du eigentlich redest.«
»Ach« - sagte ich und sah sie befremdet an, wie sie mir da aufgerichtet im Florian gegenübersaß - Mensch gewordener Ausdruck weiblicher Neugier vom Scheitel bis zur Sohle.
»Ach - du meinst, das sei mein Lieblingsthema - ja?!«
»Oh Gott - nein. Ich meine natürlich, eines deiner Lieblingsthemen - in Ordnung?«
»Ja - so kann man es sagen - sonst entsteht dann nämlich plötzlich ein unhinterfragtes Bild meiner Gesamtpersönlichkeit, von dem ein uninformierter Betrachter meinen könnte, ich sei ein unsportlicher Vielfraß, der nur an Schinken-Käse-Toasts denkt, mit Ananasscheiben und etwas grünem Salat dazwischen.«
»Nicht im entferntesten.«
»Danke -«
»Friede?!«
»Oh ja -«
Ich beugte mich vor, um ihr einen kleinen Kuß auf ihre Lippen zu legen und stieß mich dann gleich wieder ab, um auf der Schaumkrone meiner Erinnerungen der Bucht zuzugleiten, die unser Augenblick hier in Venedig darstellte.
»>Die Eier sind auf dem Punkt<, sagte ich zu Stefan, der mir selbstsicher lächelnd gegenübersaß und langsam und liebevoll einen Toast mit Butter bestrich, die zart zu schmelzen begann und sich mit dem Tannenhonig vermischte, den er mit einem dicken, dunklen
Tropfen in der Mitte des Röstbrotes hatte aufplumpsen lassen.
>Ich danke dir<, sagte er - schob mir den fertigen Toast auf meinen Teller und begann mit der Zubereitung eines zweiten dieser Wunderwerke.
>Es ist alles eine Sache des inneren Tempos, mein Freund. <
>Tja<, sagte ich und atmete den würzigen Waldduft ein, der in meiner Hand weichgebuttert zerknirschte ->woher nehmen und nicht stehlen. <
Die Antwort auf diese Frage dauerte von dem damaligen Frühstück bis zu dem Tag, an dem ich dich getroffen habe, Maria - und sie wird wahrscheinlich nie aufhören zu dauern, weil ich an diesem Morgen das Gefühl hatte, nicht nur wieder am Leben zu sein, sondern vielmehr gespürt habe, daß ich erst anfangen mußte, draufzukommen, was mein Leben sein könnte, wenn ich mir die Zeit nehmen würde, mir zuzuhören.
Stefan hat damals in einer Dreizimmerwohnung gelebt, in der nichts anderes drinnen war als ein Bett, eine Matratze für Gäste, siebenhundertsechsundneunzig Bücher und ein Haufen Papier, auf dem er seine Theaterstücke geschrieben hat.
Es hat sich irgendwie ganz von selbst ergeben, daß ich bei ihm übernachtet habe und dann meinen Koffer nachgeholt habe und einen Teil meiner Kleider, und eines Tages - so ungefähr nach drei Wochen - haben wir festgestellt, daß wir regelrecht zusammenlebten. Ich kann mich noch genau an den Schlüsselmoment erinnern, es war im Badezimmer, so nach ungefähr einem Monat - er ist eines Tages nach der Vorstellung mit einem Schlagbohrer neben dem Spiegel gestanden und hat zwei Löcher in die Fliesen gebohrt. Dann hat er einen Halterungsring für einen Becher angebracht und meine Zahnbürste in das Glas gesteckt und gesagt: >Übersicht ist das halbe Leben - es wäre bedrückend für mich, ein Zahnputzbecherhalterungsring-monopol in dieser Wohnung zu haben und deiner Zahnbürste dadurch das Gefühl der Heimatlosigkeit zu vermitteln^
Wir haben uns die Hand geschüttelt und ohne große Worte gewußt, daß das der Beginn einer neuen Ära in unseren Leben ist.
Die nächste Etappe bestand darin, daß wir einen Fahrplan entwickelten, nach dem wir uns das Einkäufen einteilten, das Kochen, das Bettenmachen, das Staubsaugen, das Klinkenputzen, das Hosenknopfannähen, mit einem Wort alles, was die Zahnräder der Alltäglichkeiten ineinandergreifen läßt - genauso wie das ein altes Ehepaar tut, um sich so perfekt wie möglich aus dem Weg zu gehen - mit einem
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