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Nigger Heaven - Roman

Nigger Heaven - Roman

Titel: Nigger Heaven - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walde + Graf Verlag
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PROLOG
    Anatole Longfellow, auch als Scarlet Creeper bekannt, ein Mann, der von den Frauen lebte, stolzierte zielbewusst die Ostseite der 7 th Avenue herab. Er trug einen enganliegenden Anzug aus gestreiftem Wollstoff, der allen, die ihn beäugten, seine sehnige und geschmeidige Figur mehr als deutlich zur Schau stellte, und so ruhten denn auch alle Blicke auf ihm. Ein großer Diamant oder ein weniger wertvoller Stein, der einen Diamanten nachäffte, funkelte in seiner fuchsienfarbigen Krawatte. Die Schäfte seiner auf Hochglanz polierten braunen Stiefel waren aus taubenfarbenem Wildleder, und die Knöpfe waren graublau. Sein schwarzes Haar lag glatt unter dem Strohhut, der keck geneigt auf seinem Haupt thronte. Wenn er einen Freund grüßte – und seine Bekanntschaften schienen weitverzweigt –, glänzten zwei Reihen perlweißer Zähne aus seinem braungelackten Gesicht.
    Es war die Stunde der Flaneure, etwa gegen elf Uhr abends. Es war Juni, die Luft angenehm mild und nicht zu feucht. Über der breiten Straße, auf der ein großes Aufgebot von Taxis hinauf- und hinunterrollte, hing der Baldachin eines indigoblauen, mit glitzernden Sternen gesprenkelten Himmels. Die Geschäfte waren hell erleuchtet. Unter den hervorspringenden Häusermauern, vor den Schaufenstern oder unter den Bäumen standen träge Gruppen junger Männer, schwatzend und lachend. Frauen schlenderten paarweise oder in männlicher Begleitung auf dem Trottoir hin und her.
    »Hallo, Toly!« Ein schlaksiger Bursche trat auf den Creeper zu.
    »Hallo, Ed! Was macht das LebenWas macht das Leben so?«
    »Macht sich so, danke. Und selbst?«
    »Kann nicht klagen. Die Lotterie war ein Volltreffer. Hat siebenundsechzig Dollar eingebracht.«
    »Heiliger Bimbam!«
    »Yes, sir!« Anatole ließ seine Zähne blitzen.
    »Mit welcher Nummer?«
    »Sieben-neun-acht.«
    »Wo hast du die hergehabt?«
    »Von ’nem Mädel aus dem Wettbüro.«
    »Wenn man rauskommt?«
    »Wenn man reinkommt. Na, ich stieg aus dem Fenster, als ihr Kerl heimkam, hatte sich nicht angekündigt.«
    »Donnerwetter!«
    »Das kannst du laut sagen, du alter Schnüffler.«
    Als Anatole weiterging, wuchs sein Selbstwertgefühl. Er knöpfte den Rock auf und dehnte seine Brust, so dass die goldene Kette, die von Tasche zu Tasche über seinem muskulösen Magen lag, sich gefährlich spannte.
    »Wie läuft´s?«
    »Und selbst?«
    Er grüßte im Vorübergehen Leanshanks Peacod, ein Mulattenleichtgewicht, das an den zwei letzten Samstagabenden im Commenwealth Club zwei weiße Boxer geschlagen hatte.
    »Genießen Sie die frische Luft, Mr Longfellow?«
    »So ist es, Mrs Guckeen. Wie geht´s Ihnen denn?« Das Benehmen des Creepers wurde schmeichlerisch.
    »Danke, Mr Longfellow, ziemlich gut so alles in allem.«
    Mrs Imogene Guckeen war die Inhaberin eines bekannten Schönheitsinstituts weiter oben in der Avenue. Es gehörte zu Anatoles Gewohnheiten, sich dort jeden Nachmittag gegen fünf Uhr maniküren zu lassen. Da eine große Anzahl seiner Anbeterinnen davon wusste, war fünf Uhr die Hauptgeschäftszeit in diesem Etablissement. Die Chefin wusste nur zu genau, welche Rolle dieser Kunde für ihr Geschäft spielte, und gab sich infolgedessen keine Mühe, seine stets beträchtliche Rechnung zu kassieren. Gelegentlich jedoch drückte ihr der Creeper als Abschlag fünf oder zehn Dollar in die Hand und betörte sie obendrein mit einem schmelzenden Lächeln und mit einem Griff unter ihr fettes Kinn.
    Anatole wandte sich an der 127 th Street um und setzte seinen entspannten Spaziergang in nördlicher Richtung fort. Jetzt wurde sein Verhalten ernsthafter, trotz der augenscheinlichen Unbeschwertheit, mit der er seinen Ebenholzspazierstock, den oben eine Elfenbeinkugel zierte, hin- und herschwenkte. Er starrte beinahe ängstlich in die Gesichter der ihm entgegenkommenden Frauen. Einmal vertiefte er sich so intensiv in ein Augenpaar, das ihm hartnäckig den Blickkontakt verweigerte, dass er gegen einen alten Mann mit einem langen weißen Bart stieß, der an einem Stock hinkte. Anatole konnte ihn gerade noch auffangen, bevor er zu Boden fiel.
    »Ich bitte sehr um Verzeihung«, sagte er mit seinem liebenswürdigsten Lächeln.
    Der Greis lächelte zurück.
    »Scheint mir ziemlich ungewöhnlich«, krächzte der Alte, »dass Sie um diese Uhrzeit unsere Straße mit einem Besuch beehren.«
    Die Brust des Creepers dehnte sich so deutlich, dass die ohnehin gespannte Kette einen Ring mit klappernden Schlüsseln aus der Westentasche

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