Cabo De Gata
nonnenhafte Verkäuferin segnet mich mit einem pan integral , ich werfe eine Spende in die Jesusbüchse.
Ich mache mir einen Kaffee: Die Señora – ich nenne sie so, obwohl ich inzwischen begriffen habe, dass alle sie die Witwe (la viuda) nennen – erlaubt mir schon seit geraumer Zeit, den Kaffee selbst zu machen. Mit wichtiger, aus der Tiefe aufsteigender Hühnerstimme hat sie mir erklärt, worauf ich achten muss (ich erinnere mich nur noch an einen Zeiger, der im grünen Bereich stehen soll). Mit zwei kräftigen Schlägen – tack-tack! – klopfe ich den festgebackenen, alten Kaffeepuck aus dem Trichtereinsatz. Während der Kaffee einströmt, schmiere ich mein pan integral , genauer: betropfe es mit Olivenöl, um die Hälfte davon – die andere Hälfte hebe ich mir auf für den Abend – mit einer Tomate, die mir die Señora auf einer kleinen Untertasse auf die Theke stellt, zu verspeisen, sobald der Kaffee durchgelaufen ist.
Wenn die Señora gerade nicht hinsieht, verzichte ich auf das Aufschäumen der Milch. Sie möchte, dass man die Milch aufschäumt. Sie möchte, glaube ich, dass man von allen Möglichkeiten ihres wunderbaren Kaffeeautomaten Gebrauch macht.
Nach dem Frühstück setze ich mich, schon mit dem zweiten Glas Kaffee in der Hand, auf meine Bank. Die Sonne erscheint. Noch immer überkommt mich, wenn ich da sitze, ein seltsamer Optimismus. Ich fühle mich der Erkenntnis ganz nahe.
Noch bewegt sich zu viel. Noch ist Unruhe in meinem Kopf. Noch ändert sich meine Stimmung zu häufig. Aber ich ahne etwas. Ich erahne die wahre Botschaft der Katze.
Sind alle Katzen so?
Man kann die Uhr nach ihr stellen. Alle unsere Rituale finden, nachdem sie sich eingespielt haben, in immer derselben Form, in immer derselben Reihenfolge statt: Füttern, Streicheln. Die Schnurrstunde. Irgendwann nachts, wenn ich schlafe, setzt sie sich auf meine Füße. Wenn ich dann aufwache, schlafe ich schlecht wieder ein, weil ich kaum wage, mich zu bewegen: Ich will, dass sie sitzen bleibt.
Immer mikroskopischer werden die Beobachtungen, die ich am Morgen notiere. Es gibt nichts mehr zu notieren. Es passiert nichts Neues mehr. Die letzte Neuerung war das Verschwinden der Frau mit dem Gipsfuß. Stattdessen ist Paco erschienen: ein schöner Ersatz.
Nicht Paco, der Fischer, sondern der alte Paco. Vermutlich irgendein Verwandter aus der Stadt. Jedenfalls ist er nicht von hier, was man daran erkennt, dass er niemals in Pantoffeln vors Haus tritt. Er trägt schwarze, nicht mehr ganz neue Halbschuhe, die allerdings immer sauber poliert sind. Er setzt sich in einem weißen Plastikstuhl vors Restaurant, neben die Tür. Dort sitzt er und singt mit altersrauer Stimme hin und wieder ein paar Takte Flamenco – in seiner reinsten, ursprünglichsten Form. Stoßseufzer. Existenzielle Melancholie. Er singt, was ihm gerade in den Sinn kommt. Ich wüsste gern, was das ist.
Vielleicht ist ihm gerade die Frau gestorben? Vielleicht war er ein Scherge des Franco-Regimes, der sich halb reuig, halb mit Bitterkeit alter Zeiten erinnert?
Dann schweigt Paco wieder. Sitzt in der Sonne, schweigt. Aus der Küche dringen ab und zu die Schreie der Frauen, die der Señora beim Zubereiten des Mittagessens helfen. Und als Paco irgendwann wieder einsetzt, begreife ich, dass er einfach nur Worte, Satzfetzen wiederholt, wahllos, zufällig, so wie sie aus der Küche heraus an sein Ohr wehen.
Inzwischen hat man vor dem Restaurant ein paar Tische aufgestellt. Ich esse jetzt draußen, mit Blick aufs Meer. Schwer zu sagen, ob die Dickärschige darüber verärgert ist. Sie nimmt mich so wenig zur Kenntnis wie am ersten Tag. Knallt mir den Teller hin, wendet und präsentiert mir, lasziv davonwogend, das gewaltige Mahlwerk ihrer Hinterbacken.
Salat und Hauptgang sind immer gleich, dafür wechselt täglich die Suppe – aber auch dieser Wechsel hat, wie ich allmählich begriffen habe, sein Maß und seine Regel. Montags gibt es Suppe aus den Resten der Paella vom Sonntag. Am Dienstag Hühnersuppe, am Mittwoch Kichererbsensuppe, am Donnerstag Gemüsesuppe mit großen, nachlässig geschälten Knoblauchzehen, am Freitag, glaube ich, Fischsuppe, Samstag weiß ich nicht mehr, und am Sonntag gibt es keine Suppe, sondern Paella.
Diese Erkenntnis beglückt mich regelrecht, wie die Entdeckung einer neuen Naturkonstante. Ich erinnere mich an die Wendung kosmische Suppe , die mir, sozusagen als Sammelbegriff für den wöchentlichen Suppenreigen, durch den Sinn ging. Und nachdem
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