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Cabo De Gata

Cabo De Gata

Titel: Cabo De Gata Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eugen Ruge
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Katzenfeind ist, steht ohnehin fest. Aber auch die nonnenhafte Bäckerin, die mir noch immer täglich mit segnender Geste mein pan integral über die Ladentheke reicht, habe ich, seit Carlos Katzen und Ratten gleichgesetzt hat, im Verdacht, katzenfeindlich zu sein – vielleicht aus hygienischen Gründen.
    Und beim Pfarrer, der eines Tages vor mir in der Bäckerei steht, genügt die Art, wie er sich die Nase schnäuzt, genügt sein geräuschvoller Atem, genügt der kleine Jesus-Schlüsselanhänger, der aus seinem samtgrünen Talar herausbaumelt, um ihn des Katzenmordes für fähig zu halten.
    Ich erinnere mich an die Umwege, die ich von nun an, wenn ich vom Billard kam, machte, an die immer größeren Kreise, die ich auf dem Heimweg zog. Ich erinnere mich, als bestünde der Ort nur daraus, an seltsame Brachflächen, an Unland, von Trampelpfaden durchädert, an spärliches Gestrüpp, an ungenutzte, staubige Winkel, an verrostende Klettergerüste auf einem von hohem Gras bewachsenen Platz: Ich erinnere mich an Katzenorte. Orte, an denen die Katzen von Cabo de Gata eine schattenhafte Existenz, eine Existenz an der Grenze zur Unsichtbarkeit führten.
    Nachts kamen sie aus ihren Verstecken. Ja, ich gebe zu, dass ich auch nachts oder zumindest am späten Abend mitunter noch auf die Straße ging, um nach der Rotgetigerten zu suchen. Ich klapperte mit der Briefkastenklappe, ich rang mir die Erlaubnis ab, auf dem Rückweg noch einen kleinen Schlenker über die Brache zu machen, ich summte, wenn ich die grauen Schatten an den Mülltonnen sah, leise die amerikanische Nationalhymne, weil ich hoffte, sie erkenne mich vielleicht an meiner Stimme. Kurz, ich benahm mich wie ein Idiot. Ich benahm mich so, wie man sich nur benimmt, wenn man verliebt ist.
    Ich erinnere mich an die Häme, die mich während meiner nächtlichen Spaziergänge befiel. Ja, es bereitete mir ein bösartiges Vergnügen, mich selbst bei meinen absurden Ausflügen zu verfolgen: War es nicht klar, dass die Katze nicht kam? War das nicht gerade die Botschaft gewesen? Sie kam nicht, weil ich auf ihr Kommen hoffte. Ich fand sie nicht, weil ich sie suchte. Es geschah nichts, weil ich immerzu etwas tat. Weil ich immer noch glaubte, ich könnte irgendetwas ausrichten. Weil ich immer noch überzeugt war, irgendetwas hinge von mir ab. Weil ich immer noch hoffte, Erlösung ließe sich erzwingen.
    Es war wie mit den Hühnergöttern! – Der Gedanke kam mir, als ich am Nachmittag in Richtung Seesarg marschierte: Man fand keinen Hühnergott, indem man verbissen an einer Stelle suchte! Ich erinnere mich, wie ich mich auf den Boden warf, wie ich in den Kieseln vor meiner Nase zu stochern begann, um zu beweisen, dass man so keinen Hühnergott fand – und fand einen … Ich fand einen Hühnergott! Wütend schleuderte ich den Stein ins Meer … Nein, ich ließ mich nicht länger an der Nase herumführen. Ich musste aufhören! Aufhören, zu suchen. Aufhören, zu warten. Aufhören, zu hoffen.
    Am Abend blieb ich zu Hause. Ich fiel auch nicht auf die Ausreden herein, mit denen ich mich zu überlisten versuchte – schlaue Doppelnegationen, die darauf hinausliefen, dass ich, zum Beweis, dass ich nicht suchte, hinausgehen müsse; oder dass ich, wenn ich es ernst meinte, die Katzenfutterdose vernichten müsse, die immer noch wie ein Mahnmal auf dem schiefen, kleinen Kleiderschrank stand. Ich blieb zu Hause – «zu Hause», was für ein Wort! Ich blieb in meiner drei mal drei Meter großen Bude. Ich erinnere mich, wie ich auf meinem Bett lag. Wie ich die blaue Katzenfutterdose anstarrte; wie ich – wohl mit einiger Verspätung – feststellte, dass mir ein Lied durch den Kopf ging.
    Es war ein dummes, schlecht gereimtes Kinderlied vom Mops, der in die Küche kam, eine Textschlaufe, die vermutlich jeder in dieser oder jener Form kennt, und sie geht:
Ein Mops kam in die Küche
und stahl dem Koch ein Ei
Da nahm der Koch die Kelle
und schlug den Mops entzwei
Da kamen viele Möpse
und gruben ihm ein Grab
Und stellten drauf ’nen Grabstein
auf dem geschrieben stand:
    Und dann geht es wieder von vorn los.
    Eine Weile hörte ich zu. Ich weiß nicht mehr, ob ich bloß innerlich sang oder tatsächlich. Hörte zu, staunte, wie man manchmal über allzu Bekanntes staunt: wie schlicht! Und wie effektiv! Man kam nicht mehr raus, dachte ich fast vergnügt, man musste immer und immer wieder … die Möpse … der Grabstein. Und wieder von vorn … Und dann …
    Nein, jetzt ertappe ich mich beim

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