Cäsar Birotteau (German Edition)
Werken wenig königlich.« Mit diesen Worten händigte er dem kleinen Beamten sechstausend Francs ein.
Birotteau war so unbeschreiblich gerührt, daß er nur unzusammenhängende Worte zu stammeln vermochte. Er verdankte die königliche Anerkennung seiner in Paris in der Tat seltenen Bemühungen dem Oberbürgermeister. Birotteau fühlte sich durch die so zu seinen Gunsten verwandelte öffentliche Meinung wie in den Himmel emporgehoben. Als er einmal auf der Straße hinter sich die Worte hörte: »Das ist der ehrliche brave Birotteau!« war er darob so bewegt, wie etwa ein nach langem Ringen anerkannter Künstler, wenn er die Worte vernimmt: »Das ist er!«
Als er die vom Könige gesandten Scheine in den Händen hielt, beschloß er sofort, damit du Tillet zu bezahlen. Er begab sich nach der Rue de la Chaussée-d'Antin und traf seinen ehemaligen Kommis auf der Treppe. Der Bankier wollte gerade ausgehen.
»Sie, mein armer Birotteau!« rief du Tillet ihm heuchlerisch entgegen.
»Arm! Nein, heute bin ich reich! Ich werde heute abend mit dem Bewußtsein schlafen gehen, Sie bezahlt zu haben.«
Du Tillet hatte trotz der allgemeinen Achtung keinen Respekt vor sich selber. Die Redlichkeit anderer ging ihm auf die Nerven.
»Sie wollen mich bezahlen?« bemerkte er verdrießlich. »Machen Sie denn eigentlich noch Geschäfte?«
»Nein. Nie werde ich mich je wieder in Geschäfte einlassen. Es hat mir kein Glück gebracht und wer weiß, welcher unseligen Zufälle Opfer ich würde. Ich lebe nur noch, um meine Schulden zu tilgen, und meine Anstrengungen sind dem Könige zur Kenntnis gekommen. Sein mitleidiges Herz will mein Bemühen anfeuern, und darum hat er mir eben eine so beträchtliche Summe geschickt, daß ich ...«
»Wollen Sie eine Quittung?« unterbrach ihn der Bankier. »Wollen Sie mich wirklich bezahlen?«
»Auf Heller und Pfennig und auch die Zinsen! Ich bitte Sie, sich mit mir zum Notar Crottat zu bemühen. Es ist ein paar Schritte bis zu ihm ...«
»Zu einem Notar?«
»Sehen Sie, Herr du Tillet, es ist mir nicht verwehrt, an meine Rehabilitation zu denken. Und dazu müßte ich unbedingt notarielle Unterlagen haben ...«
»Schön! Er wohnt ja nicht weit. Sagen Sie mal, der Firma Claparon schulden Sie doch eine enorme Summe. Wie wollen Sie denn die erschwingen?«
»Ach ja, das ist der größte Posten! Er macht mir ungeheure Sorgen.«
»Den werden Sie in Ihrem ganzen Leben nicht bezahlen können!« sagte der Bankier hart.
Er wird wohl recht behalten! jammerte Birotteau bei sich.
Auf dem Heimweg ging er aus Versehen durch die Rue Saint-Honoré. Sonst machte er immer einen Umweg, um seinen ehemaligen Laden und die Fenster seiner früheren Wohnung nicht sehen zu brauchen. Zum erstenmal seit seinem Ruin erblickte er nun das Haus wieder, in dem er achtzehn Jahre des Glücks erlebt hatte.
Ach, einstmals glaubte ich, dort meine Tage zu beschließen! dachte er bei sich und beschleunigte seine Schritte. Die neue Firma war ihm in die Augen gefallen:
CÖLESTIN CREVEL
Cäsar Birotteaus Nachfolger
Bin ich verrückt geworden? sagte er sich; war das nicht Cäsarine? Es war ihm, als habe er soeben den Blondkopf seiner Tochter hinter einem der Fenster da oben gesehen.
In der Tat weilten Cäsarine und ihre Mutter gerade in ihrem alten Hause. Sie wußten, daß Birotteau niemals mehr durch die Rue Saint-Honoré ging. Sie waren da, um einige Vorbereitungen zu einem kleinen Fest zu treffen, das sie dem rehabilitierten Gatten und Vater zu Ehren feiern wollten.
Birotteau blieb wie angewurzelt stehen.
»Da steht Birotteau und starrt sein ehemaliges Haus an!« meinte Molineux, der ihn bemerkte, zu einem Nachbar, der gerade bei ihm war.
»Der arme Kauz!« erwiderte der andere. »Das hat er nun von seinem Ball. Zweihundert Kutschen fuhren damals vor...«
»Ich bin auch mit dagewesen, und drei Monate später war ich sein Konkursverwalter!«
Birotteau eilte mit zitternden Knien von dannen.
Onkel Pillerault, der von allen Vorgängen in der Rue des Cinq-Diamants unterrichtet war, glaubte, sein Neffe könne das Übermaß von Freude nicht ertragen, das seine Rehabilitation verursachen würde. Deshalb wollte er ihn allmählich darauf vorbereiten. Die Freude, mit der Birotteau von der Anteilnahme des Königs an seinem Schicksal erzählte, und seine Verwunderung darüber, daß er Cäsarine in der »Rosenkönigin« erblickt hatte, dünkten Pillerault eine vorzügliche Gelegenheit, von der Sache zu sprechen.
»Weißt du, Cäsar,
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