Cäsar Birotteau (German Edition)
wie folgt ab:
»Meine Herren! Am 16. Januar 1820 ist über Herrn Cäsar Birotteau durch einen Beschluß des Handelsgerichts der Konkurs verhängt worden. Genannter Kaufmann war weder durch Leichtsinn noch durch gewagte Spekulationen noch durch sonst einen ehrenrührigen Grund zur Anmeldung seines Konkurses veranlaßt worden. Wir sehen uns daher veranlaßt, zu erklären: sein Unglück war eine Folge gewisser Umstände, die bedauerlicherweise In Paris häufig vorkommen. Es war dem neunzehnten Jahrhundert vorbehalten, daß die Körperschaft der Notare Frankreichs die rühmliche Tradition vergangener Jahrhunderte nicht durchweg bewahrt und dadurch in wenigen Jahren mehr Bankerotte verschuldet hat, als unter dem Ancien régime innerhalb zwei Jahrhunderten zu verzeichnen waren. Der Durst nach leicht erworbenem Gold hat diese behördlich eingesetzten Wahrer der Privatvermögen angekränkelt. Mit einem Worte: die Flucht eines Pariser Notars, der die ihm anvertrauten Gelder Birotteaus unterschlagen hatte, entschied den Ruin dieses Kaufmanns. Der Konkurs war unvermeidlich.
Es sei besonders hervorgehoben, daß sich dieser Konkurs im Vergleich zu gewissen skandalösen Fallissements, von denen die Pariser Geschäftswelt häufig heimgesucht wird, tadellos sauber und übersichtlich abgewickelt hat. Birotteaus Gläubiger haben die geringsten Gegenstände, die der in Konkurs Geratene besaß, vollzählig vorgefunden: seine Kleidungsstücke, seine Wertsachen, kurz alles, was zu seinem wie seiner Ehefrau persönlichem Gebrauch gedient hatte. Frau Birotteau hat auf jedweden Anspruch verzichtet, um die Konkursmasse zu erhöhen. Unter solchen Umständen blieb Herr Birotteau der Achtung des öffentlichen Amtes wert, das er bekleidet hatte. Er war Stadtverordneter und ist Ritter der Ehrenlegion. Letztere Auszeichnung hatte er sowohl durch seine heldenmütige Teilnahme am Kampfe vom 13. Vendémiaire auf der Treppe von Saint-Roch verdient, wo er sein Blut für das Königshaus vergossen hat, als auch wegen seiner friedsamen und vorzüglichen Dienste, die er als Handelsrichter leistete. Das Amt eines Stadtrats hat er bescheiden abgelehnt.
In Anbetracht alles dessen haben ihm die Gläubiger, nachdem sie sechzig Prozent ihrer Forderungen aus der Konkursmasse bekommen hatten, in Anerkennung seines rechtlichen Verhaltens den Rest ihrer Ansprüche geschenkt. Die Urkunde dieser Verzichtleistung, die sich hier bei den Akten befindet, hebt dieses Verhalten besonders hervor...«
Der Generalprokurator verlas eine Stelle aus der Urkunde. Dann fuhr er fort: »Angesichts so wohlwollender Gesinnungen hätte sich manch anderer Kaufmann nunmehr wieder für frei gehalten und wäre stolz durch die Stadt gegangen. Weit davon entfernt, faßte Herr Birotteau den Plan, das ehrenvolle Ziel zu erstreben, das er heute erreicht hat. Nichts hat ihn abschrecken können. Unser allverehrter König hat ihm ein Amt gewährt, um ihm das tägliche Brot zu sichern. Herr Birotteau hat sein Gehalt ausschließlich für seine Gläubiger aufgespart, ohne seine persönlichen Bedürfnisse davon zu bestreiten. Dies wurde ihm durch Unterstützungen seiner Familie ermöglicht ...«
Birotteau drückte dem neben ihm sitzenden Pillerault weinend die Hand.
»... Seine Frau und seine Tochter haben die Früchte ihrer Arbeit seinen Ersparnissen hinzugefügt. Sie haben sich damit als Gesinnungsgenossen ihres Familienhauptes erwiesen. Beide, Mutter wie Tochter, haben Geld zu verdienen verstanden. Ich möchte ihre Opferfreudigkeit deshalb nicht unerwähnt lassen, weil, es nicht leicht ist, im Unglück in eine sozial tiefere Stellung hinabsteigen zu müssen...«
Es folgte ein Resümee des Konkurses, wobei die einzelnen Schuldsummen und die Namen der Gläubiger vorgelesen wurden.
»Meine Herren«, fuhr der Generalprokurator sodann fort, »all die Summen sind bezahlt worden. Die notariell ausgestellten Quittungen darüber liegen hier bei den Akten. Der Gerichtshof hat sie im einzelnen nachgeprüft. Sie werden nunmehr Herrn Birotteau nicht nur die kaufmännische Ehre wieder zusprechen, sondern auch alle die Rechte, deren er in der Zwischenzeit beraubt gewesen ist!
Anträge um Rehabilitation werden Ihnen übrigens bekanntlich derartig selten unterbreitet, daß wir uns nicht enthalten können, dem Antragsteller zu dem bereits allerhöchstenorts ausgesprochenen Beifall über sein Verhalten auch den unsern zu bezeigen.«
Das Richterkollegium beriet sich kurz, ohne erst hinauszugehen. Dann erhob
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