Cäsar Birotteau (German Edition)
mutigen Mannes, obgleich er weder den geringsten soldatischen Geist im Herzen noch die geringste politische Idee im Hirn hatte. So kam es, daß er in seinem Stadtviertel zum Hauptmann der Bürgergarde gewählt wurde. Napoleon, der ihm – wie sich Birotteau einbildete – seine Beteiligung an der Affäre vom Vendémiaire nicht vergessen konnte, bestätigte ihn aber nicht, und so kam Cäsar unvermutet in den Ruf eines Märtyrers, was ihn interessant machte und ihm ein gewisses Ansehen verschaffte. Im ersten Jahre seiner Ehe weihte Cäsar seine Frau in den Parfümhandel ein, und Konstanze verstand das Geschäft sehr bald gründlich. Sie war wie dazu geschaffen und auf die Erde gekommen, die Kunden zu bedienen und anzulocken. Als Birotteau am Schluß des Jahres Inventur machte, war er geradezu erschrocken. Er rechnete sich aus, daß er in zwanzig Jahren ein Kapital von hunderttausend Francs zurückgelegt haben müßte. Er entschloß sich nun, schneller zu Geld zu kommen und den Detailhandel mit der Fabrikation zu verbinden. Gegen die Ansicht seiner Frau mietete er nun in der Vorstadt du Temple ein Haus und ließ mit großen Buchstaben daranmalen:
PARFÜMFABRIK: VON
CÄSAR BIROTTEAU
Er machte einem berühmten Konkurrenten den Werkmeister abspenstig und begann mit ihm auf Halbpart die Herstellung von Seifen, Parfüms, Essenzen und Kölnischem Wasser. Diese Geschäftsverbindung währte aber nur ein halbes Jahr und endete mit Verlusten, die Cäsar allein trug. Aber er verlor den Mut nicht und wollte um jeden Preis einen Erfolg erringen, lediglich, um vor seiner dagegenredenden Frau Ruhe zu haben. Erst viel später gestand er ihr, daß ihm während dieser kritischen Zeit der Kopf oft siedeheiß gewesen war und ihn nur seine Frömmigkeit davon abgehalten hatte, sich in die Seine zu stürzen.
Voll Kummer über verschiedene erfolglose Versuche strich er eines Tages die Boulevards entlang. In Paris schlendern die Menschen ebenso häufig aus Verzweiflung wie aus Müßiggang umher. Am Stande eines Antiquars blieb er zufällig stehen. Unter den alten Büchern, die in einem auf dem Pflaster stehenden Korbe für je sechs Sous feilgeboten wurden, zog ein verstaubtes und vergilbtes Titelblatt seine Blicke an:
DIE KUNST, DIE SCHÖNHEIT ZU ERHALTEN
Aus dem Arabischen
Birotteau griff nach dem Buche. Es war eine Art Roman, angeblich aus dem Arabischen übersetzt, in Wirklichkeit aber von einem Arzte des achtzehnten Jahrhunderts geschrieben. Beim Durchblättern las er eine Stelle, wo von Parfüm die Rede war.
Wie in einer Ahnung, daß er damit sein Glück mache, kaufte Cäsar das Buch, und an einen Baum des Boulevards gelehnt, las er weiter darin. In einer Fußnote erklärte der Verfasser die Beschaffenheit und den Zweck der Derma (der Haut) und der Epidermis (der Oberhaut) und fügte hinzu, viele Seifen und Hautsalben erzeugten an Stelle der erwarteten und erwünschten Wirkung gerade das Gegenteil, weil sie eine erschlaffte Haut oft mir noch weicher oder eine allzu straffe Haut noch fester machten. Da er seinem eigenen Verständnis wenig vertraute, suchte Birotteau den berühmten Chemiker Vauquelin auf und stellte ihm die höchst naive Frage, wie man ein Hautpflegemittel zusammensetzen müsse, das sowohl auf eine zu schlaffe wie zu straffe Epidermis günstige Wirkungen, erziele. Die wahren Gelehrten – es sind meist die, die zu Lebzeiten unberühmt bleiben, obgleich sie unermüdliche Forscher und Arbeiter sind und die höchste Anerkennung verdienten –, die wirklich bedeutenden Männer sind allezeit hilfsbereit und gütig gegen die geistig Armen. Auch Vauquelin war so. Er nahm sich des Parfümhändlers an und gab ihm die Erlaubnis, ein Hautpflegemittel, dessen Zusammenstellung er ihn lehrte, als seine eigene Erfindung zu verkaufen. Birotteau nannte es
SULTANINNEN-CREME
Unter Benutzung desselben Rezeptes stellte er auch noch ein Mittel zur Pflege des Teints her, dem er die Bezeichnung
VENUS-WASSER
gab.
Nun machte er es dem »Kleinen Matrosen« nach und trieb als erster unter den Parfümhändlern jene Verschwendung mit Annoncen, Anschlagzetteln, Gebrauchsanweisungen, Prospekten und ähnlichen Reklamemitteln, die man mit Recht oder Unrecht als Schwindel bezeichnete.
Er ließ farbige Offerten drucken, auf denen gewisse Schlagworte weithin leuchteten, wie:
ÄRZTLICH UNTERSUCHT UND EMPFOHLEN!
Diese zum erstenmal als Reklame angewandte Phrase hatte eine zauberhafte Wirkung. Nicht allein Frankreich, der ganze Kontinent wurde
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