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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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herauszubekommen, brauchten sie einen Mann, der mehr Geschäftssinn als Ehrgeiz und mehr gesunden Menschenverstand als besondere Fähigkeiten hatte. Ragon wandte sich an Birotteau. Der nunmehr Zwanzigjährige, der sich bis dahin ein Kapital erworben hatte, das ihm tausend Francs Zinsen im Jahre brachte, trug zunächst Bedenken. Sein Ehrgeiz beschränkte sich darauf, sich in die Nähe von Chinon zurückzuziehen, sobald er eintausendfünfhundert Francs Jahreszinsen hätte; er erhoffte dies durch ein weiteres Steigen der Staatsrenten, sobald sich der Erste Konsul vollständig in den Tuilerien festgesetzt hätte. Wozu sollte er seine anständige, wenn auch bescheidene Unabhängigkeit durch geschäftliche Unternehmungen mit jugendlichem Leichtsinn wieder aufs Spiel setzen ? Er hätte sich ja früher nicht träumen lassen, je das zu besitzen, was er sich nun glücklich erworben hatte. Seine Gedanken liefen darauf hinaus, in der Touraine eine Frau zu heiraten, die ebenso viel hätte wie er; dann wollte er sich Schatzhausen kaufen, das kleine Gut, das er sich, so weit er zurückdenken konnte, immer ersehnt hatte, und das er hochzubringen gedachte. Er wollte in der Verborgenheit ein glückliches Leben führen, indem er sein Gut bewirtschaftete. Kurz und gut, er war im Begriffe, den Antrag abzulehnen, als die Liebe mit einemmal in sein Leben eingriff und seinen Ehrgeiz verzehnfachte.
    Seit Ursulas Verrat war Cäsar solid geblieben, sowohl aus Angst vor den Gefahren, denen man in Paris bei Liebesabenteuern ausgesetzt ist, als auch im Joche seiner angestrengten Tätigkeit. Aber die Sinnlichkeit fordert schließlich ihr Recht. Die Ehe ist deshalb in den mittleren Ständen unumgänglich, denn nur auf diese Weise kann man sich hier eine Frau erringen und zu eigen machen. So erging es auch unserm Cäsar Birotteau. In der »Rosenkönigin« ruhte alles auf den Schultern des ersten Kommis, so daß er keinen Augenblick Zeit zu Vergnügungen hatte. Und so kam es, daß die Begegnung mit einem hübschen Mädchen, das auf einen weniger soliden jungen Kaufmann nur einen flüchtigen Eindruck gemacht hätte, auf den braven Cäsar die größte Wirkung ausübte.
    Als Birotteau an einem schönen Junitage über den Pont Marie nach der Saint Louis-Insel schlenderte, erblickte er am Ende des Quai d'Anjou vor der Tür eines Ladens ein junges Mädchen. Konstanze Pillerault war Direktrice in dem Modewarengeschäft »Zum kleinen Matrosen«. Die Wohlfeilheit aller Novitäten, die im »Kleinen Matrosen« zu kaufen waren, verschaffte diesem Geschäft, trotz seiner .sehr ungünstigen Lage, einen unerhörten Zulauf. Konstanze war auffallend schön, so daß ihretwegen mancher junge und alte Geck vor dem Schaufenster stehenblieb. Der erste Kommis der »Rosenkönigin«, der zwischen Saint-Roch und der Rue de la Sourdière wohnte und sich ausschließlich seinem Geschäfte widmete, hatte bis dahin nichts von der Existenz des »Kleinen Matrosen« geahnt. Konstanze gefiel ihm dermaßen, daß er blindlings in den Laden stürzte und sechs Leinwandhemden verlangte. Er machte es wie die Engländerinnen, die beim Kaufen hin und her handeln. Er ließ ganze Stöße von Leinwand vor sich ausbreiten und feilschte um den Preis. Die Direktrice nahm an gewissen allen Frauen erkennbaren Anzeichen wahr, daß Cäsar mehr um ihretwillen als des Einkaufs wegen eingetreten war, und so ließ sie sich herab, ihn selber zu bedienen. Nach abgeschlossenem Handel war ihr die Bewunderung des Käufers gleichgültig. Birotteau gab ihr seinen Namen und seine Wohnung an. Der arme Kommis hätte Konstanzes Gunst leicht gewinnen können, aber er war viel zu unerfahren dazu. Und die Liebe machte ihn noch dümmer. Er brachte kein Wort heraus und war obendrein viel zu entzückt, um die Gleichgültigkeit zu bemerken, die hinter dem verbindlichen Lächeln dieser Ladensirene steckte.
    Acht Tage nacheinander beobachtete er alle Abende den »Kleinen Matrosen« und lauerte sehnsüchtig auf einen Blick der Verkäuferin, wobei er sich um die Witze der Kommis eicht kümmerte. Alles, was im Laden vorging, interessierte ihn. Einige Tage darauf betrat er zum zweitenmal das Paradies seines Engels unter dem Vorwande, Taschentücher zu kaufen, in Wirklichkeit aber, um ihr einen glänzenden Einfall mitzuteilen. Beim Bezahlen sagte er: »Wenn Sie Parfümerien brauchen, will ich Ihnen gern die besten liefern und soviel Sie wollen.«
    Konstanze Pillerault bekam täglich verlockende Anträge, bei denen aber niemals vom

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