Cäsar Birotteau (German Edition)
Heiraten die Rede war. Obgleich Ihr Herz ebenso rein war wie ihre Haut weiß, so ließ sie doch Cäsar erst ein halbes Jahr hin und her marschieren, ehe sie die Gnade hatte, seine Huldigungen zu beachten. Aus kluger Rücksicht auf die Unmenge von andern Verehrern – Weingroßhändler, Kaffeehausbesitzer und dergleichen –, die mit ihr liebäugelten, entschied sie sich aber nicht völlig. Der verliebte Birotteau steckte sich hinter Konstanzes Vormund Joseph Pillerault, der damals auf dem Quai de la Ferraille ein Kurzwarengeschäft betrieb. Cäsar hatte ihn mit der Findigkeit der echten Liebe ausgekundschaftet. Wir übergehen des weiteren die Freuden einer harmlosen Pariser Liebelei: die kleinen Aufmerksamkeiten, wie sie ein Kommis erweist, die mitgebrachten Blumen und Früchte, die kleinen Nachtmahle bei Vénua nach einem Theaterbesuch, die sonntäglichen Ausflüge in einer Droschke und so weiter. Wenn Cäsar auch nicht hübsch war, so hatte er doch auch nichts an sich, daß man ihn nicht hätte leiden können. Das Leben in Paris und die dumpfe Ladenluft hatten bereits das bäuerische Rot seiner Wangen gebleicht. Seine ehrliche Gutmütigkeit gab schließlich den Ausschlag bei seinem Bemühen um Konstanze. Onkel Pillerault, dem die Sorge für das Glück seiner Nichte oblag, zog Erkundigungen über den Tourainer ein und unterstützte daraufhin seine Absichten. Im Wonnemonat des Jahres 1800 gab Fräulein Pillerault endlich ihr Jawort; es geschah unter einem Lindenbaume bei Sceaux, einem Dorfe vor Paris. Der glückliche Cäsar fiel vor Freude in Ohnmacht.
Konstanze entsagte gern einem glänzenderen Schicksal, das sie sich wie alle Ladenmädchen zuweilen erträumt hatte. Sie beschloß, eine rechtschaffene Frau und eine gute Familienmutter zu werden. Die Rolle paßte übrigens zu ihrer Eigenart viel besser als die gefährlichen Phantastereien, die so manche kleine Pariserin verführen. Konstanze war die typische Kleinbürgerin. Ihr Verstand hatte keinen weiten Horizont. Sie arbeitete nur, wenn sie Lust und Liebe dazu spürte. Wenn sie etwas wünschte, begehrte sie zunächst immer das Gegenteil, ärgerte sich aber, wenn man ihr den Willen tat. Ihr Eifer beschränkte sich auf Küche und Kasse, auf die wichtigsten Obliegenheiten und auf das Ausbessern der Wäsche. Sie begriff nur die einfachsten Dinge, gleichsam die Scheidemünzen des Geistes. Sie räsonierte bei aller Gutmütigkeit über alles, hatte immer Angst, rechnete immer und dachte stets an die Zukunft. Sie war schön, aber temperamentlos; ihr niedlicher Gesichtsausdruck und ihre Frische ließen Birotteau die Mängel an ihr übersehen, die übrigens durch ihre recht weibliche Sorglichkeit, ihre grenzenlose Ordnungsliebe, ihr energisches Zugreifenkönnen und ihren Geschäftssinn aufgewogen wurden. Sie war damals achtzehn Jahre alt und besaß elftausend Francs. Cäsar, der, wenn er verliebt war, außerordentlich ehrgeizig war, kaufte nunmehr die »Rosenkönigin« und verlegte sein Geschäft in die Nähe der Place Vendôme. Erst einundzwanzig Jahre alt, mit einer schönen, angebeteten Frau verheiratet, Besitzer eines Geschäfts, das zu drei Vierteln bezahlt war, durfte er eine glückliche Zukunft erhoffen. Das tat er auch, zumal wenn er sich seinen bisherigen Lebensgang vergegenwärtigte. Roguin, Ragons Notar, der den Ehevertrag aufgesetzt hatte, gab dem jungen Kaufmann Ratschläge und riet ihm ab, den Kaufpreis des Geschäftes ganz zu bezahlen, was er mit dem Gelde seiner Frau hätte machen können. »Behalten Sie etwas Geld in den Händen, um sich gelegentlich an einer Unternehmung beteiligen zu können!« sagte er zu ihm. Birotteau folgte dem Notar, zog ihn auch weiterhin öfters zu Rate und wurde mit ihm befreundet. Ebenso wie Ragon und Pillerault vertraute er ihm so weit, daß er sich ihm in die Hände gab, ohne sich je den geringsten Verdacht einfallen zu lassen. Anfangs hielt Birotteau nur eine Köchin. Das junge Ehepaar wohnte im Zwischenstock über dem Laden und lebte vergnügt in den Tag hinein. Frau Birotteau brachte durch ihre Schönheit das Geschäft in wunderbarer Weise vorwärts. »Die schöne Madame Birotteau,« war alsbald stadtbekannt. Obgleich Cäsar für einen Royalisten galt, ließ man ihm doch Gerechtigkeit widerfahren; seine Nachbarn beneideten ihn zwar um sein Glück, doch hielt man ihn im allgemeinen dessen würdig. Seine einstige Verwundung, die er im Straßenkampfe davongetragen hatte, verlieh ihm den Nimbus eines politisch berühmten und
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