Cäsar Birotteau (German Edition)
Rue Saint-Denis mag das allenfalls gehen, in der Rue Saint-Honoré aber macht das einen miserablen Eindruck. Unser Geschäft muß wie ein Schmuckkästchen aussehen. Sag mal, sind wir denn die einzigen zu Ansehen gekommenen Geschäftsinhaber? Gibt es nicht Kaufleute und Fabrikanten genug, die Offiziere der Bürgergarde sind und bei Hofe verkehren? Ahmen wir ihnen nach! Vergrößern wir unser Geschäft! Wir werden damit auch in der Gesellschaft vorwärtskommen!« »Weißt du, Mann, was ich denke, wenn ich dich so anhöre? Du kommst mir vor wie einer, mit dem es nicht mehr ganz richtig ist! Besinn dich einmal auf das, was ich dir gesagt habe, als das Gerücht ging, du wolltest Stadtverordneter werden! ,Verliere vor allen Dingen deinen Kopf nicht! Du paßt dazu‘, sagte ich dir, ,wie der Esel zum Tanzen! Das Hochhinauswollen ist dein Untergang!‘ Du hast damals nicht auf mich gehört. Nun haben wir die Bescherung! Was? Du willst das Ladenschild, das uns sechshundert Francs gekostet hat, in den Ofen stecken und den guten alten Namen ,Zur Rosenkömgin‘ verschwinden lassen, der uns wirklich berühmt gemacht hat! Laß doch die andern ehrgeizig sein! Wozu sollst du denn die Kastanien aus dem Feuer holen ? Die Politik ist heutzutage so 'ne Sache. Willst du dein Vermögen vermehren, so mach es wie im Jahre 1793! Die Staatsrenten stehen jetzt zweiundsiebzig. Kaufe welche! Du kannst für zehntausend Francs kaufen, ohne daß uns diese Summe im Geschäft fehlt. Benutze die guten Zeiten, um unsere Tochter zu verheiraten! Verkaufe das Geschäft und laß uns in deine Heimat ziehen! Seit fünfzehn Jahren sprichst du schon davon, Schatzhausen zu kaufen, das hübsche kleine Gut bei Chinon, das Teiche, Wiesen, Wäldchen, Weinberge und zwei Meiereien hat. Es wirft im Jahre tausend Taler ab. Es gefällt uns beiden und wir können es billig für sechzigtausend Francs bekommen. Der jetzige Besitzer will in Regierungsdienste treten. Überleg dir mal: was sind wir als Parfümhändler? Wenn dir vor sechzehn Jahren, ehe du unsere famose Sultaninnen-Creme und das Venus-Wasser erfandst, jemand gesagt hätte, du würdest einmal das nötige Geld haben, um Schatzhausen zu kaufen, da wärst du vor Vergnügen an die Decke gesprungen. Jetzt kannst du das Gut kaufen, nach dem du dich immer so gesehnt hast, daß du oft von nichts anderm sprachst, und nun faselst du davon, das Geld, das wir im Schweiße unseres Angesichts erworben haben, für Albereien zu vergeuden. Jawohl: unseres Angesichts! Denn ich habe vor dem Kontorpult gesessen wie ein Hund vor seiner Hütte. Wir werden genug von dem Stadttrubel haben, wenn wir nur noch ein Absteigequartier bei deiner Tochter haben, nachdem sie die Frau eines Notars hier in Paris geworden ist. Acht Monate im Jahre können wir auf dem Lande leben. Das wird besser sein, als wenn wir hier die Taler in Groschen und die Groschen in Pfennige wechseln lassen. Die Staatspapiere werden schon steigen. Du kannst deiner Tochter achttausend Francs Rente mitgeben. Wir behalten zweitausend, und das Gut bezahlen wir von dem, was wir für unser Geschäft bekommen. Auf dem Lande, lieber Mann, werden wir eine große Rolle spielen, wie das hier in der Stadt nur Millionäre können.«
»Davon wollte ich ja gerade, reden, mein Liebchen«, entgegnete Birotteau. »Wenn du mich auch für sehr dumm hältst, so dumm bin ich doch nicht, daß ich nicht an all das auch schon gedacht hätte. Alexander Crottat, der Bureauchef von meinem Freunde, dem Notar Roguin, paßt für uns wie geschaffen zum Schwiegersohn. Gewiß. Er wird Roguins Praxis übernehmen. Aber glaubst du denn, daß er sich mit hunderttausend Francs Mitgift begnügen wird? Das hieße: wir geben unserem Kinde unser ganzes bares Vermögen mit. Ich will ja gern den Rest meines Lebens trocken Brot essen, wenn ich sie nur glücklich sehe, meinetwegen, wie du sagst, als die Frau des Notars Crottat. Zehntausend oder gar bloß achttausend Francs Rente genügen aber nicht, um ihm Roguins Notariat zu kaufen. Dieser kleine Alex, wie wir ihn nennen, hält uns, wie so mancher andere, für viel reicher, als wir wirklich sind. Wenn sein Vater, der dicke Pächter, der alte Geizkragen, nicht für hunderttausend Francs Land verkauft, kann Alex nicht Notar werden, denn Roguins Notariat kostet vier- bis fünfhunderttausend Francs. Crottat bekommt es nicht, wenn er nicht mindestens die Hälfte bar anzahlt. Cäsarine muß erst ihre Zweihunderttausend Francs Mitgift haben, dann ziehen wir uns
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