Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
ehrerbietig.
»Wünschen Sie etwas von mir?« sagte sie.
»Ach nichts, eine Kleinigkeit; halten Sie sich bereit, Birotteaus Wechsel einzulösen, der gute Mann hat Bankrott gemacht, alles wird einklagbar, ich werde Ihnen morgen die Abrechnung zuschicken.«
Frau Madous Augen zogen sich erst zusammen wie die einer Katze, dann brach eine Flamme aus ihnen hervor.
»Ach, dieser Lump! Ach, dieser Verbrecher! Und da is er selber zu mir gekommen und hat zu mir gesagt, daß er Beigeordneter is, und hat mir was vorgeschwindelt. So geht's Einem beim Geschäft! Auf die Bürgermeister kann man sich nicht mehr verlassen und die Regierung betrügt uns auch. Aber warte, ich wer' mir mein Geld schon verschaffen ...« »Na ja, mein gutes Kind, beim Geschäft sieht jeder, wo er bleibt!« sagte Gigonnet und hob seinen Fuß mit einer leichten Bewegung wie eine Katze, die eine schmutzige Stelle passieren will, und der er auch seinen Spitznamen verdankte. »Es gibt kluge Leute, die es verstehen, sich bei so etwas herauszuziehen.«
»Schön, schön! Ich werde mich mit meinen Nüssen auch schon herausziehen. Hanne-Marie! Meine Überschuhe und meinen Hasenfellumhang, aber schnell, oder dir sollen meine fünf Finger auf der Backe brennen.«
»Das wird die ganze Straße in Aufruhr bringen«, sagte Gigonnet zu sich und rieb sich die Hände. »Du Tillet wird zufrieden sein, wenn es Skandal in dem Viertel gibt. Ich weiß nicht, was ihm dieser arme Teufel von Parfümhändler getan hat, mir tut er nicht mehr leid als ein Hund, der sich das Bein gebrochen hat. Das ist kein Mann, der ist nicht imstande, sich durchzusetzen.«
Wie ein Auflauf im Faubourg Saint-Antoine vollzog sich das Erscheinen der Frau Madou um sieben Uhr abends vor der Tür des armen Birotteau, die sie mit wütender Gewalt aufriß, denn der Weg hatte sie noch mehr in Aufregung versetzt.
»Ich muß mein Geld haben, ihr verfluchte Bande, ich will mein Geld haben! Ihr werd' mir mein Geld geben, oder ich nehm' mir die Riechkissen, die seidenen Kinkerlitzchen, die Fächer, und überhaupt Waren für meine zweitausend Franken! Hat man schon mal gesehen, daß die Beigeordneten die Bürgerschaft bestehlen? Wenn ihr mich nicht bezahlt, bring' ich ihn auf die Galeeren, ich geh' zum Staatsanwalt, ich mach die Justiz mobil! Ich geh' hier nich weg ohne Geld!«
Und sie schickte sich an, die Scheiben eines Schrankes zu öffnen, der kostbare Gegenstände enthielt. »Die Madou packt zu«, sagte Cölestin leise zu seinem Nachbar.
Aber die Händlerin hatte das Wort gehört, denn im Paroxysmus der Leidenschaft werden die Organe schwächer oder schärfer, je nach der Konstitution des Betreffenden – und die derbste Ohrfeige, die je in einem Parfümerieladen ausgeteilt wurde, brannte auf Cölestins Backe.
»Das wird dich lehren, wie man mit Frauen umzugehen hat, mein Engel,« sagte sie, »und daß man nich noch mit dem Namen von denen, die man bestiehlt, Spott treibt.«
»Frau Madou«, sagte Frau Birotteau und kam aus dem hinteren Teil des Ladens nach vorn, wo sich zufällig auch ihr Mann, den der Onkel Pillerault abholen wollte, befand, und der, um dem Gesetz zu genügen, seine Selbstentäußerung soweit trieb, daß er sich verhaften lassen wollte; »um Himmels willen, Frau Madou, rufen Sie doch keinen Auflauf der Passanten hervor.«
»Mögen sie doch reinkommen!« sagte das Weib, »ich wer' ihnen die Sache schon erzählen, eine Geschichte zum Lachen! Oh ja! Meine Ware und meine im Schweiß meines Angesichts zusammengekratzten Taler sind dazu da, damit ihr Bälle gebt. Und Sie, Sie gehn hier rum, angezogen wie die Königin von Frankreich, und die Wolle dazu, die nehmen Sie von armen Lämmern, wie ich eins bin! Jesus! Gestohlenes Gut, das würde mir ja die Schultern verbrennen! Ich hab nur ein Hasenfell auf meinem Leichnam, aber das gehört mir! Gebt mir mein Geld, ihr Briganten, oder ...« Und sie stürzte sich auf ein schönes Kästchen mit eingelegter Arbeit, das kostbare Toilettengegenstände enthielt.
»Lassen Sie das liegen, Frau Madou«, sagte Cäsar, der herangetreten war. »Alles hier gehört nicht mir, sondern meinen Gläubigern. Mir gehört nur noch meine Person; wollen Sie die haben und mich ins Gefängnis bringen, so gebe ich Ihnen mein Ehrenwort« (dabei traten ihm die Tränen in die Augen), »daß ich Ihren Gerichtsvollzieher hier erwarten werde, ebenso den Beamten des Handelsgerichts und seine Leute ...«
Der Ton und die Geste standen in solchem Einklang mit diesen Worten,
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