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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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das vorige Jahrhundert dem unsrigen hinterlassen hat, erfüllte Frau Birotteau mit Hoffnung. Die Frau des Parfümhändlers zeigte sich groß und natürlich in ihrem Kummer. Der Schmerz adelt auch die einfachsten Menschen, denn er trägt seine Größe in sich, und um von seinem Glanz überstrahlt zu werden, braucht man bloß wahr zu sein. Und Konstanze war eine durch und durch wahrhaftige Persönlichkeit. Es handelte sich jetzt darum, schnell mit dem Könige zu reden. Mitten in dieser Besprechung wurde Herr von Vandenesse gemeldet und der Herzog rief aus: »Da kommt Ihr Retter!«
    Frau Birotteau war diesem jungen Manne nicht unbekannt, da er schon ein- oder zweimal bei ihr gewesen war, um einige Kleinigkeiten zu kaufen, die oft bei großen Dingen eine so wichtige Rolle spielen. Der Herzog setzte ihm nun auseinander, was La Billardière vorhatte. Vandenesse ging sofort mit La Billardière zu den Grafen von Fontaine und bat Frau Birotteau, auf ihn zu warten. Der Graf von Fontaine war, ebenso wie La Billardière, einer jener tapferen Edelleute der Provinz, jener fast unbekannten Helden, die den Aufstand der Vendée gemacht hatten. Birotteau war ihm nicht fremd, er hatte ihn einstmals in der Rosenkönigin gesehen. Die Männer, die für die Sache des Königs ihr Blut vergossen hatten, genossen zu dieser Zeit Privilegien, die der König geheim hielt, um die Liberalen nicht vor den Kopf zu stoßen. Herr von Fontaine, einer der Günstlinge Ludwigs XVIII., galt als sein intimer Vertrauter. Der Graf versprach nicht nur die Anstellung ganz fest, sondern er suchte auch noch den Herzog von Lenoncourt auf und bat ihn, ihm noch am Abend einen Augenblick Gehör beim Könige zu verschaffen und für La Billardière eine Audienz bei Monsieur zu erbitten, der diesen alten Diplomaten aus der Vendée besonders gern hatte.
    Noch an demselben Abend begab sich der Graf von Fontaine zu Frau Birotteau und teilte ihr mit, daß ihr Mann nach dem Vergleich mit den Gläubigern offiziell zu einem Beamten bei der Schuldentilgungskasse mit zweitausendfünfhundert Franken Gehalt ernannt werden würde, da alle Dienststellen beim Haushalt des Königs damals mit adligen Anwärtern besetzt waren, mit denen man entsprechende Abreden getroffen hatte.
    Dieser Erfolg ergab sich aus nur einem Teil von Frau Birotteaus Bemühungen. Die arme Frau ging auch in die Rue Saint-Denis, in die »ballspielende Katze«, zu Joseph Lebas. Auf diesem Wege kam ihr in einer prächtigen Equipage Frau Roguin entgegen, die offenbar Einkäufe machte. Ihre Augen begegneten denen der schönen Notarsfrau. Das Schamgefühl, das die reiche Frau angesichts der ruinierten nicht verbergen konnte, machte Konstanze Mut.
    »Niemals würde ich für anderer Geld in einer Equipage fahren«, sagte sie zu sich.
    Freundlich von Joseph Lebas aufgenommen, bat sie ihn, ihrer Tochter eine Stellung in einem angesehenen Geschäftshause zu verschaffen. Lebas versprach nichts direkt; aber acht Tage später hatte Cäsarine Tisch, Wohnung und tausend Taler Gehalt bei dem reichsten Modewarenhause von Paris, das damals eine Filiale im Quartier des Italiens errichtete. Die Kasse und die Aufsicht über das Lager wurden der Tochter des Parfümhändlers anvertraut, die, über der ersten Verkäuferin stehend, die Chefs des Hauses zu vertreten hatte.

Was Frau Konstanze selbst anlangt, so ging sie noch am selben Tage zu Popinot und bat ihn, seine Kasse und Buchführung übernehmen und ihm die Wirtschaft führen zu dürfen. Popinot verstand, daß sein Haus das einzige war, wo die Frau des Parfümhändlers mit dem schuldigen Respekt behandelt werden würde, auf den sie ihrer Stellung nach, wenn sie sich nicht erniedrigen wollte, Anspruch hatte.
    Mit seinem vornehmen Empfinden gab er ihr ein Gehalt von dreitausend Franken jährlich nebst Verpflegung und ließ sein Zimmer für sie herrichten, während er sich das Mansardenzimmer eines seiner Kommis nahm. So mußte die schöne Parfümhändlerin, nachdem sie einen Monat lang sich der Pracht ihrer Wohnung hatte erfreuen können, jetzt in dem abscheulichen Zimmer mit dem Blick auf den dunklen feuchten Hof hausen, wo Gaudissart, Anselm und Finot das Stiftungsfest für das Huile Céphalique gefeiert hatten.
    Als Molineux, der vom Handelsgericht ernannte Agent, die Aktiva Cäsar Birotteaus in Beschlag nahm, stellte Konstanze mit Cölestins Unterstützung die Inventur auf. Dann entfernten sich Mutter und Tochter in einfacher Kleidung und begaben sich zu ihrem Onkel Pillerault,

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