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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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alles zu liquidieren, zu verkaufen, über alles Verträge abzuschließen, kurz, alles zugunsten der Gläubiger zu Geld zu machen, wenn sich der Schuldner nicht widersetzt. Die Mehrzahl der Pariser Kridare verständigt sich mit den provisorischen Syndici, und zwar aus folgendem Grunde: Die Ernennung eines oder mehrerer definitiver Syndici ist ein Akt leidenschaftlicher Erregung seitens der rachebedürftigen, betrogenen, verhöhnten, verspotteten, gefoppten, bestohlenen und getäuschten Gläubiger. Obwohl nun die Gläubiger ja ziemlich allgemein getäuscht, bestohlen, gefoppt, verhöhnt und betrogen werden, so gibt es doch in Paris innerhalb der Kaufmannschaft keine Aufregung, die länger als drei Monate andauerte. Im Geschäftsleben werden Handelswechsel, da man stets auf die Einlösung wartet, nur auf drei Monate ausgestellt. Nach drei Monaten schlafen die von allem Hinundherrennen, wie es ein Konkurs mit sich bringt, todmüde gewordenen Gläubiger an der Seite ihrer vortrefflichen kleinen Frauen. Hiernach werden die Ausländer begreifen, wie sehr in Frankreich das Provisorische definitiv ist; von tausend provisorischen Syndici werden nicht fünf zu definitiven. Man begreift also, weshalb sich der durch einen Konkurs hervorgerufene Haß legen muß. Aber für diejenigen, die nicht so glücklich sind, Kaufleute zu sein, muß doch das dramatische Schauspiel eines Konkurses näher erklärt werden, damit sie verstehen, wie er in Paris zu einer ungeheuerlichen gesetzlichen Farce wird, und wie Cäsars Fallissement eine außergewöhnliche Ausnahme bildete.
    Dieses schöne kaufmännische Drama hat drei wohl zu unterscheidende Akte: erster Akt: der Agent, zweiter Akt: die Syndici, dritter Akt: der Vergleich. Es gibt hier, wie bei allen Theaterstücken, ein doppeltes Schauspiel: die Inszenierung für das Publikum und die Arbeit hinter der Szene, die Vorstellung, wie sie das Publikum sieht, und wie sie von den Kulissen aus gesehen erscheint. Hinter den Kulissen befinden sich der Schuldner und sein Anwalt, der Advokat der Kaufleute, die Syndici, der Agent und endlich der Konkursverwalter. Niemand außerhalb von Paris hat eine Ahnung davon und niemandem in Paris ist es unbekannt, daß ein Richter beim Handelsgericht der eigenartigste Beamte ist, den eine Gesellschaft hatte erdenken können. Dieser Richter muß befürchten, daß sich die Justiz jeden Augenblick gegen ihn selbst wenden kann. Paris hat das Schauspiel erlebt, daß der Präsident eines Handelsgerichts genötigt war, Konkurs anzumelden. Anstatt daß man einen alten Kaufmann, der sich von den Geschäften zurückgezogen hat und für den ein solches Amt eine Anerkennung für ein ehrenhaft geführtes Leben bedeuten würde, nähme, ist der Richter ein mit ungeheuren Unternehmungen überlasteter, an der Spitze eines riesigen Hauses stehender Geschäftsmann. Die conditio sine qua non bei der Wahl dieses Richters, der über die Flut von Handelsprozessen, die unaufhörlich in der Hauptstadt anhängig gemacht werden, urteilen soll, ist also, daß er Mühe haben muß, seine eigenen Geschäfte zu erledigen. Das Handelsgericht, das ein geeignetes Übergangsstadium für einen Kaufmann darstellen sollte, der hier, ohne sich lächerlich zu machen, in die Kreise des Adels aufsteigen könnte, setzt sich statt dessen aus Geschäftsleuten zusammen, die mitten in ihrer Tätigkeit stehen und unter ihren Entscheidungen leiden können, wenn sie mit einer Gegenpartei, wie Birotteau mit du Tillet, zu tun haben, die damit unzufrieden ist.
    Der Konkursverwalter ist daher notgedrungen eine Person, vor der viele Worte gewechselt werden, der sie anhört, während er an sein Geschäft denkt und das öffentliche Verfahren den Syndicis und dem Anwalt überläßt, abgesehen von gewissen eigenartigen, ungewöhnlichen Fällen, wo die Betrügereien sich unter merkwürdigen Formen vollzogen haben und ihn zu der Bemerkung veranlassen, daß die Gläubiger oder der Schuldner geschickte Leute sein müssen. Diese Persönlichkeit, die in dem Drama dieselbe Rolle spielt wie die Königsbüste in einem Audienzsaal, sieht man früh zwischen fünf und sieben Uhr auf ihrem Holzhof, wenn es ein Holzhändler, in seinem Laden, wenn es, wie früher Birotteau, ein Parfümhändler ist; abends am Schluß des Diners zwischen Käse und Birne – aber immer in fürchterlicher Hetze. Diese Persönlichkeit ist also im allgemeinen stumm. Aber seien wir nicht ungerecht gegen das Gesetz; die in Eile gemachten Gesetze, die diese

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