Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
beschweren, so hofften die Richter, auf diese Weise die Konkurse moralischer zu gestalten, aber sie werden damit nur bewirken, daß sie noch unmoralischer werden; die Gläubiger werden eben noch üblere Tricks aushecken, die die Richter als Richter herabwürdigen und aus denen sie als Kaufleute ihren Vorteil ziehen.
Ein anderes sehr gebräuchliches Manöver, von dem der Ausdruck »ernsthafter und legitimer Gläubiger« herstammt, besteht darin, Gläubiger zu schaffen, so wie du Tillet ein Bankhaus geschaffen hatte, und eine gewisse Anzahl von Claparons einzuführen, hinter deren Haut sich der Kridar verbirgt, der damit die Dividende der echten Gläubiger verringert, sich so eine Reserve für die Zukunft schafft und sich gleichzeitig die für den Vergleich erforderlichen Stimmen und Summen sichert. Die »lustigen und illegitimen« Gläubiger sind dasselbe wie die in das Wahlkollegium eingeführten falschen Wähler. Was kann der »ernsthafte und legitime« Gläubiger gegen die »lustigen und illegitimen« machen? Sich ihrer entledigen, indem er sie angreift! Schön. Aber um diese Eindringlinge zu vertreiben, muß der »ernsthafte und legitime« Gläubiger seine Geschäfte im Stiche lassen, einen Anwalt mit der Sache betrauen, welcher Anwalt, da er hieran fast nichts verdient, es vorzieht, Konkurse zu »dirigieren«, und sich um eine solche Bagatellsache wenig kümmert. Um den »lustigen« Gläubiger zu verdrängen, ist es nötig, in das Labyrinth der Vorgänge einzudringen, bis auf entfernte Zeiten zurückzugehen, die Bücher durchzusehen, beim Gericht zu erwirken, daß der falsche Gläubiger die seinen vorlegt, die Unwahrscheinlichkeit der falschen Vorspiegelungen klarzulegen, sie den Handelsrichtern zu erweisen, zu klagen, hin und her zu laufen und viele Leute dafür zu interessieren; dann muß er gegenüber jedem »illegitimen und lustigen« Gläubiger den Don Quichote spielen, der, wenn er der »Lustigkeit« überführt ist, sich zurückzieht, sich den Richtern empfiehlt und sagt: »Entschuldigen Sie, Sie irren sich, ich bin ein ›sehr ernsthafter‹ Gläubiger.« Und das alles vorbehaltlich der Rechte des Schuldners, den Don Quichote vor das Obergericht zu ziehen. Während dieser Zeit gehen die Geschäfte des Don Quichote schlecht und es kann ihm passieren, daß er selbst Konkurs anmelden muß.
Moral: Der Schuldner ernennt seine Syndici, kontrolliert seine Schulden und arrangiert seinen Vergleich selbst.
Kann man sich nach diesen Angaben nun nicht leicht vorstellen, was für Intrigen, was für Schliche eines Sganarelle, Erfindungen eines Frontin, Lügen eines Mascarillo und Windbeuteleien eines Scapin diese beiden Systeme erzeugen? Es gibt kein Fallissement, das nicht genügend Stoff enthielte, um vierzehn Bände wie die »Clarissa Harlow« damit zu füllen. Ein einziges Beispiel wird genügen. Der berüchtigte Gobseck, der Meister der Palmas, Gigonnets, Werbrusts, Kellers und Nucingens, war bei einem Konkurse beteiligt, bei dem er sich vorgenommen hatte, einen Kaufmann, der es verstanden hatte, ihn hineinzulegen, gehörig heranzubekommen; er erhielt auch von ihm in Wechseln, die erst nach dem Vergleich fällig waren, einen Betrag, der zusammen mit der Dividende seine ganze Forderung gedeckt haben würde. Gobseck setzte nun einen Vergleich durch, bei dem dem Schuldner fünfundsiebzig Prozent erlassen wurden. In dieser Weise wurden die Gläubiger zugunsten von Gobseck betrogen. Aber der Kaufmann hatte diese unrechtmäßigen Wechsel mit der Unterschrift seiner im Konkurse befindlichen Gesellschaftsfirma ausgestellt und konnte daher auch bei ihnen den Abzug von fünfundsiebzig Prozent machen, und Gobseck, der große Gobseck, erhielt kaum fünfzig Prozent. Seitdem grüßte er seinen Schuldner stets mit ironischem Respekt.
Da alle von einem Kridar zehn Tage vor der Konkursanmeldung eingegangenen Verpflichtungen anfechtbar sind, so bemühen manche klugen Menschen sich, gewisse Geschäfte mit einer bestimmten Anzahl von Gläubigern abzuschließen, die ebenso wie sie ein Interesse haben, möglichst schnell zu einem Vergleich zu gelangen. Sehr gerissene Gläubiger treten an sehr unerfahrene oder sehr beschäftigte Gläubiger heran, malen die Lage möglichst schwarz und kaufen ihnen ihre Forderungen für die Hälfte dessen ab, was bei der Liquidation als auf sie entfallend zu erwarten ist; auf diese Weise kommen sie zu ihrem Gelde, da sie zu ihrer Dividende noch die Hälfte, das Drittel oder das Viertel hinzubekommen,
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