Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
Materie regeln, haben dem Konkursverwalter die Hände gebunden, und wiederholt muß er zu Betrügereien seine Zustimmung geben, weil er, wie wir gleich sehen werden, nicht die Macht hat, sie zu verhindern.
Der Agent kann auch, anstatt der Mann der Gläubiger zu sein, der Mann des Schuldners werden. Jeder hofft, seinen Anteil an der Dividende zu vergrößern, indem er sich eine Bevorzugung seitens des Kridars verschafft, bei dem man immer zurückbehaltene Werte vermutet. Der Agent kann sich beiden Seiten zur Verfügung stellen, sei es, daß er die Geschäfte des Kridars nicht zugrunde richtet, oder daß er für einflußreiche Leute etwas beiseite bringt: er schützt also die Ziege und den Kohlkopf. Häufig hat ein geschickter Agent es nicht zum Urteilsspruch kommen lassen, indem er die Forderungen ankaufte und dem Kaufmann wieder aufhalf, der dann wie ein Gummiball in die Höhe sprang. Der Agent hält sich an die am reichsten gefüllte Futterkrippe, sei es, daß er dazu neigt, die stärksten Gläubiger zu decken und den Schuldner preiszugeben, sei es, daß er die Gläubiger lieber der Zukunft des Schuldners opfert. So ist das, was der Agent tut, entscheidend. Er, ebenso wie der Anwalt, ist für jede Rolle in diesem Stücke zu gebrauchen; sie übernehmen die Rolle aber nur, wenn ihr Honorar sichergestellt ist. Unter durchschnittlich tausend Konkursen ist der Agent neunhundertfünfzigmal der Mann des Schuldners. Zur Zeit, in der diese Geschichte spielt, schlugen die Anwälte fast immer dem Konkursverwalter ihren Agenten zur Ernennung vor, einen Mann, dem die Geschäfte des Kaufmanns bekannt waren, und der es verstand, die Interessen der Konkursmasse und die des ehrenwerten Mannes, der ins Unglück geraten war, in Einklang zu bringen. Seit einigen Jahren lassen sich erfahrene Richter den gewünschten Agenten bezeichnen, um ihn gerade nicht zu nehmen, und zu versuchen, einen einigermaßen ehrlichen zu ernennen.
Während sich dieser Akt abspielt, treten die Gläubiger, die falschen und die echten, zusammen, um die provisorischen Syndici zu bezeichnen, die, wie erwähnt, in Wahrheit die definitiven sind. Bei der Wählerversammlung steht denen, die fünfzig Sous zu fordern haben, das gleiche Stimmrecht zu wie den Gläubigern, deren Forderung fünfzigtausend Franken beträgt: die Stimmen werden eben gezählt und nicht gewogen. Diese Versammlung, in der sich auch die von dem Schuldner eingeführten falschen Wähler befinden, die einzigen, die bei der Wahl niemals fehlen, schlägt als Kandidaten Gläubiger vor, aus denen der Konkursverwalter, ein Präsident ohne Machtbefugnisse, »gezwungen« ist, die Syndici zu wählen. So empfängt der Konkursverwalter fast immer aus der Hand des Kridars diejenigen Syndici, die diesem genehm sind, abermals ein Mißbrauch, der eine Katastrophe zu der übelsten Burleske macht, der die Justiz ihren Schutz angedeihen lassen kann. Der Ehrenmann, der ins Unglück geraten ist, erlangt damit die Legalisierung des Betruges, den er vorbereitet hat. Im allgemeinen verhält sich der Pariser Kleinhandel durchaus vorwurfsfrei. Wenn ein Krämer in Konkurs gerät, dann hat der arme Mann schon das Umschlagetuch seiner Frau veräußert, sein Silberzeug verpfändet, das Hemd vom Leibe verkauft und steht nun zugrunde gerichtet mit leeren Händen da, selbst ohne Geld für den Anwalt, der sich natürlich sehr wenig um ihn kümmert.
Das Gesetz verlangt, daß dem Vergleich, der dem Kaufmann einen Teil seiner Schuld erläßt und ihm gestattet, sein Geschäft wieder zu betreiben, von einer bestimmten Majorität, nach den Beträgen und den Personen berechnet, zugestimmt sei. Um dieses große Werk zustande zu bringen, müssen der Kridar, seine Syndici und sein Anwalt inmitten der einander entgegenstehenden und sich durchkreuzenden Interessen mit diplomatischer Geschicklichkeit zu Werke gehen. Das übliche Manöver besteht darin, daß man dem Teil der Gläubiger, der die vom Gesetze verlangte Majorität ausmacht, eine Prämie anbietet, die sich der Schuldner außer der im Vergleich festgesetzten Dividende zu zahlen verpflichtet. Gegen diesen ungeheuerlichen Betrug gibt es kein Mittel; die dreißig Handelsgerichte, die aufeinander gefolgt sind, kennen ihn aus ihrer Praxis. Nachdem sie sich genügend darüber klar geworden waren, haben sie sich schließlich entschlossen, solche betrügerischen Abmachungen für ungültig zu erklären, und da die Schuldner ein Interesse daran haben, sich über eine solche »Extorsion« zu
Weitere Kostenlose Bücher