Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
bringt.
Kommt ein Vergleich nicht zustande, so wählen die Gläubiger nunmehr die definitiven Syndici und treffen außergewöhnliche Vorkehrungen, indem sie sich zusammentun, um das Vermögen und das Geschäft ihres Schuldners zu Gelde zu machen, wobei sie ihre Hand auch auf alles das legen, was ihm einmal zufließen wird, auf die Erbschaft vom Vater, von der Mutter, der Tante usw. Diese rigorosen Maßregeln werden nach vertragsmäßigem Übereinkommen durchgeführt.
Es gibt also zwei Arten von Konkursen: den Konkurs des Kaufmanns, der seine Geschäfte wieder aufnehmen will, und den des Kaufmanns, der ins Wasser gefallen ist und sich bis auf den Boden des Flusses hinuntersinken läßt. Pillerault kannte diesen Unterschied wohl. Es war nach seiner wie nach Ragons Meinung ebenso schwer, aus der ersten Art unbescholten, wie aus der zweiten vermögend herauszukommen. Nachdem er den Rat erteilt hatte, alles hinzugeben, wandte er sich an den ehrenhaftesten der Pariser Anwälte mit dem Ersuchen, die Liquidation des Konkurses zu übernehmen und den Erlös den Gläubigern zur Verfügung zu stellen. Das Gesetz schreibt vor, daß die Gläubiger während der Dauer der Tragödie dem Kridar und seiner Familie Subsistenzmittel zu gewähren haben. Pillerault ließ den Konkursverwalter wissen, daß er für seinen Neffen und seine Nichte diese Verpflichtung selbst übernehme.
Du Tillet hatte alles so eingefädelt, daß der Konkurs für seinen ehemaligen Prinzipal ein ununterbrochener Todeskampf sein sollte; und zwar in der Art: In Paris ist die Zeit so kostbar, daß im allgemeinen bei Konkursen von den beiden Syndicis sich nur einer mit der Sache befaßt. Der andere ist nur der Form wegen da; er gibt seine Zustimmung wie der zweite Notar bei Notariatsakten. Der tätige Syndicus verläßt sich ziemlich häufig auf den Anwalt. Infolgedessen werden in Paris die Fallissements der ersten Art so glatt abgewickelt, daß innerhalb der gesetzlichen Fristen alles erledigt, zurechtgebunden, eingerichtet und in Ordnung gebracht ist! Nach hundert Tagen kann der Konkursverwalter das grausame Wort jenes Ministers nachsprechen: »In Warschau herrscht Ordnung.«
Du Tillet wollte den Parfümhändler als Kaufmann zugrunde gerichtet wissen. Das wurde Pillerault klar durch die Namen der Syndici, die auf Betreiben du Tillets gewählt worden waren. Herr Bidault, genannt Gigonnet, sollte sich mit nichts befassen; Molineux, der kleine alte Quälgeist, mit allem. Diesem kleinen Schakal hatte du Tillet den zu Boden geschlagenen vornehmen Kaufmannskörper vorgeworfen, damit er ihn beim Verschlingen martere. Nach der Gläubigerversammlung, in der die Syndici gewählt worden waren, kehrte der kleine Molineux nach Hause zurück, »geehrt«, wie er sich ausdrückte, »durch die Wahl seiner Mitbürger« und glücklich darüber, daß er nun mit Birotteau umspringen konnte wie ein Kind, das ein Insekt quälen kann. Der Hausbesitzer, der auf dem Gesetze herumritt, bat du Tillet, ihn mit seiner Einsicht zu unterstützen, und kaufte sich das Handelsgesetzbuch. Glücklicherweise hatte Joseph Lebas, von Pillerault darauf hingewiesen, gleich beim Präsidenten erreicht, daß ein verständiger und wohlwollender Konkursverwalter ernannt wurde. Gobenheim-Keller, den du Tillet gern gehabt hätte, wurde so durch Herrn Camusot, den stellvertretenden Richter und reichen Seidenhändler, einen Liberalen, ersetzt, der Besitzer des Hauses war, in dem Pillerault wohnte, und der für einen ehrenhaften Mann galt.
Einer der fürchterlichsten Tage in Cäsars Leben war der, an dem die Konferenz, die er mit dem kleinen Molineux abhalten mußte, stattfinden sollte, mit diesem Menschen, den er als eine Null ansah, und der nun, durch eine gesetzliche Fiktion, zu Cäsar Birotteau geworden war. Er sollte, begleitet von seinem Onkel, nach dem Holländischen Hof gehen, die sechs Treppen hinaufsteigen und in die scheußliche Wohnung des Alten hineintreten, der sein Vormund, sozusagen sein Richter und der Vertreter seiner Gläubiger war. »Was ist dir?« fragte Pillerault Cäsar, als er ihn stöhnen hörte.
»Ach, lieber Onkel, was das für ein Mensch ist, dieser Molineux!«
»Ich sehe ihn seit fünfzehn Jahren ab und zu im Café David, wo er abends Domino spielt, deshalb habe ich dich begleitet.«
Herr Molineux war von übertriebener Höflichkeit gegen Pillerault und von verächtlicher Herablassung gegen seinen Kridar. Der kleine Alte hatte sich vorher sein Benehmen zurechtgelegt, die
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