Der Rausch einer Nacht
Kapitel 1
Houston, 1979
»Diana, bist du noch wach? Ich möchte gern mit dir reden.«
Sie hielt in dem Bemühen inne, die Lampe neben ihrem Bett auszuschalten, und ließ sich in die Kissen zurücksinken. »Ja, gut«, rief Diana.
»Was macht der Jet-lag, Schatz?« fragte ihr Vater und trat langsam zu ihrem Bett. »Fühlst du dich immer noch erledigt?« Robert Foster war dreiundvierzig, groß, breitschultrig und in der Ölbranche von Houston tätig. Sein Haar war frühzeitig ergraut, und normalerweise strahlte er großes Selbstvertrauen aus. Aber nicht so heute abend.
Er wirkte jetzt ausgesprochen nervös, und Diana kannte auch den Grund dafür. Obwohl sie erst vierzehn Jahre zählte, war sie doch nicht so töricht zu glauben, ihr Vater sei nur zu ihr gekommen, um sich nach den möglichen Folgen des Jet-lags zu erkundigen. Nein, Robert Foster wollte sich vor allem mit seiner Tochter über ihre neue Stiefmutter und Stiefschwester unterhalten, die Diana heute nachmittag zum erstenmal kennengelemt hatte, nachdem sie von einer Reise nach Europa mit einigen Schulfreunden zurückgekehrt war. »Danke, mir geht's gut«, teilte sie ihm höflich mit.
»Diana ...«, begann er, um gleich innezuhalten.
Stumm hockte er sich auf die Bettkante und nahm ihre Hand in die seine. Dann setzte er von neuem an. »Ich kann mir gut vorstellen, wie sonderbar es dir erschienen sein muß, am heutigen Tag nach Hause zurückzukehren und feststellen zu müssen, daß ich inzwischen wieder geheiratet habe.
Glaub mir bitte, ich hätte mit Mary niemals den Ehebund geschlossen, ohne dir vorher eine Chance gegeben
zu haben, sie besser kennenzulernen, wenn ich nicht überzeugt, nein, absolut sicher gewesen wäre, daß ihr beide euch über kurz oder lang ins Herz schließen würdet. Sie ist dir doch sympathisch, oder?« fragte er besorgt, und sein Blick suchte ihr Gesicht ab. »Du hast gesagt...«
Diana nickte, auch wenn sie nicht verstehen konnte, warum er eine Frau geheiratet hatte, die er noch nicht lange und sie überhaupt nicht kannte. In den Jahren seit dem Tod ihrer Mutter war er einige Male mit etlichen wirklich attraktiven und sehr netten Frauen aus der Houstoner Gesellschaft ausgegangen. Bevor es zwischen ihr und der jeweiligen Schönen ernster werden konnte, hatte er sie stets seiner Tochter vorgestellt und darauf bestanden, daß sie drei einige Zeit zusammen verbrachten. Und nun hatte er sich tatsächlich neu vermählt, und zwar mit einer Lady, die Diana nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte. »Mary scheint wirklich ganz nett zu sein«, antwortete sie zögernd, »ich begreife nur nicht ganz, warum du es so eilig hattest, mit ihr vor den Traualtar zu treten.«
Er machte ein verlegenes Gesicht, aber seine Antwort kam ihm ohne Zweifel direkt aus dem Herzen: »Im Leben erfährt man nur selten Momente, in denen alle Instinkte einem etwas sagen wollen, auch wenn das mitunter jeglicher Logik widerspricht, anderen Plänen deutlich im Wege steht oder den Mitmenschen sogar verrückt erscheinen mag.
Wenn dir ein solcher Moment widerfährt, dann tu genau das, was dein Instinkt dir sagt. Hör auf ihn, und ignoriere alles andere. Wirf in diesen Sekunden sämtliche Logik über Bord, pfeif auf alle Konsequenzen, vergiß die Komplikationen und spring einfach ins kalte Wasser.«
»Und genau das hast du getan?«
Ihr Vater nickte. »Schon ein paar Stunden nachdem ich Mary kennengelemt hatte, wußte ich, daß sie die Richtige für mich ist, und auch für dich, die Frau, nach der ich immer gesucht habe. Und als sie mir dann ihre Tochter Co-rey vorstellte, war mir gleich klar, daß wir vier eine wirklich tolle und glückliche Familie abgeben würden.
Doch mein Instinkt hat mich auch gewarnt: Wenn ich Mary zu lange Zeit ließe, sich die Sache zu überlegen, würde sie bestimmt anfangen, über alle möglichen Schwierigkeiten und Hindernisse zu grübeln und mir am Ende einen Korb geben.«
Die Liebe zu ihrem Vater und ihr gesunder Menschenverstand sagten Diana, daß so etwas absolut unvorstellbar wäre. Die Frauen, mit denen Robert Foster früher ausgegangen war, hatten alle möglichen Anstrengungen unternommen und sehr viel Geduld aufgebracht, um das Interesse dieses Mannes zu erwecken und am Leben zu erhalten. »Mir ist es immer so vorgekommen, daß jede Lady, mit der du dich getroffen hast, mit Freuden ja gesagt hätte.«
»Nein, mein Liebes, die meisten von ihnen waren nur scharf auf das, was ich ihnen in puncto finanzieller Sicherheit und
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