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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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wollten: »Wir sind bezahlt.«
    Beim Nachtisch erschien der Notar von Sceaux; Pillerault bat ihn, Platz zu nehmen, und sah Birotteau an, der eine Überraschung zu ahnen begann, ohne sich ihre Bedeutung erklären zu können.
    »Lieber Neffe, in diesen anderthalb Jahren haben die Ersparnisse deiner Frau, deiner Tochter und die deinigen zwanzigtausend Franken erbracht. Ich habe dreißigtausend Franken als Konkursdividende empfangen; wir können also deinen Gläubigern fünfzigtausend Franken bezahlen. Herr Ragon hat als Dividende ebenfalls dreißigtausend Franken erhalten; der Herr Notar bringt dir daher eine Quittung, daß deine Freunde voll, mit Zinsen, bezahlt sind. Der Rest der Summe liegt bei Crottat, zur Befriedigung Lourdois', der Mutter Madou, des Maurer- und Tischlermeisters und deiner dringlichsten Gläubiger. Im nächsten Jahre wollen wir weiter sehen. Mit geduldigem Ausharren erreicht man viel.«
    Birotteaus Freude war unbeschreiblich und weinend warf er sich dem Onkel in die Arme.
    »Heute darf er sein Kreuz wieder anlegen«, sagte Ragon zum Abbé Loraux.
    Der Beichtvater befestigte das rote Band am Knopfloch des Angestellten, der sich während des Abends zwanzigmal im Spiegel besah und eine Freude bezeigte, über welche Leute, die sich für erhaben über so etwas halten, gelacht hätten, die aber die guten Bürgersleute durchaus natürlich fanden. Am nächsten Tage begab sich Birotteau zu Frau Madou.
    »Ach, Sie sind es, mein guter Kerl,« sagte sie zu ihm, »ich habe Sie gar nicht erkannt, so grau sind Sie geworden. Na, ihr, ihr verhungert nicht, ihr bekommt immer noch ne Stellung. Ich, ich arbeite wie ein Pferd in der Tretmühle und verdiene nicht das Wasser.«
    »Aber Frau Madou ...«
    »Nein, nein, das soll kein Vorwurf sein,« sagte sie, »ich habe Ihnen ja quittiert.«
    »Ich bin hergekommen, um Ihnen zu melden, daß ich heute bei dem Notar Crottat Ihnen den Rest Ihrer Forderung nebst Zinsen bezahlen werde.«
    »Ist das wirklich wahr?«
    »Seien Sie um ein halb zwölf Uhr dort ...«
    »Das ist anständig; volle Zahlung und vier Prozent«, sagte sie mit naiver Verwunderung. »Hören Sie, lieber Herr, ich mache gute Geschäfte mit Ihrem kleinen Rotkopp; der is anständig und läßt mich gut verdienen, ohne den Preis zu drücken, weil er mich entschädigen will; wissen Sie was, ich werde Ihnen eine Quittung geben, aber behalten Sie Ihr Geld, mein armer Alter! Die Madou ist hitzig und schreit leicht, aber hier hat sie auch was«, sagte sie und schlug sich dabei auf die dicksten Fleischkissen, die jemals in den Markthallen gesehen worden sind.
    »Keinesfalls,« sagte Birotteau, »das Gesetz ist klar und deutlich, ich wünsche, Sie voll zu bezahlen.«
    »Na, dann werde ich mich nicht länger bitten lassen«, sagte sie. »Aber morgen in der Markthalle, da werde ich Ihr ehrenwertes Verhalten überall herumerzählen. Ach, das is eine Seltenheit, diese Geschichte!«
    Dieselbe Szene spielte sich bei Crottats Schwiegervater, dem Stubenmaler, aber in etwas anderer Form ab. Es regnete draußen und Cäsar hatte seinen Schirm an die Tür gestellt. Der reichgewordene Malermeister war nicht sehr liebenswürdig, als er bemerkte, wie das Wasser auf den Fußboden seines schönen Speisezimmers lief, wo er mit seiner Frau beim Dejeuner saß.
    »Also was wünschen Sie, armer Vater Birotteau?« sagte er in dem groben Tone, in dem die Leute mit lästigen Bettlern zu sprechen pflegen.
    »Herr Lourdois, hat Ihnen Ihr Schwiegersohn nicht mitgeteilt ...«
    »Was denn?« fragte Lourdois ungeduldig, der an irgendeine Bettelei dachte.
    »Daß Sie sich heute vormittag um einhalb zwölf Uhr bei ihm einfinden sollen, um mir über meine volle Zahlung Quittung zu erteilen? ...«
    »Ach, das ist etwas anderes; aber nehmen Sie doch Platz, Herr Birotteau, und essen Sie einen Bissen mit uns ...«
    »Machen Sie uns doch das Vergnügen, mit uns zu frühstücken«, sagte Frau Lourdois.
    »Nein, Herr Lourdois, ich muß alle Tage aus der Hand an meinem Schreibtisch frühstücken, um etwas Geld zu verdienen; aber mit der Zeit hoffe ich, allen Schaden, den ich meinen Nächsten verursacht habe, wieder gutmachen zu können.«
    »Wahrhaftig,« sagte der Malermeister und schob eine Schnitte mit Gänseleberpastete in den Mund, »Sie sind ein Ehrenmann.«
    »Und was macht Frau Birotteau?« sagte Frau Lourdois.
    »Sie führt Herrn Anselm Popinot die Bücher und die Kasse.«
    »Arme Leute«, sagte Frau Lourdois zu ihrem Manne.
    »Wenn Sie mich brauchen

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