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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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überschwemmt hat, und der jetzt in Straßburg deutsche Prospekte drucken läßt und wie mit einer Invasion über Deutschland herfallen wird. Wir haben bereits dreitausend Gros untergebracht.«
    »Dreitausend Gros!« sagte Cäsar.
    »Ich habe auch, und zwar nicht teuer, ein Terrain im Faubourg Saint-Marceau gekauft, wo bereits eine Fabrik errichtet wird. Die im Faubourg du Temple behalte ich aber auch.«
    »Weißt du,« sagte Birotteau leise zu Konstanze, »mit ein wenig Unterstützung hätte man sich doch herausziehen können.«

Seit diesem denkwürdigen Tage führten Cäsar, seine Frau und seine Tochter ihr Leben in vollstem Einvernehmen. Der arme Angestellte wollte ein, wenn auch nicht unmögliches, so doch ungeheures Ergebnis erzielen: die volle Bezahlung seiner Schulden! Diese drei Menschen, durch das Gefühl der gleichen strengsten Redlichkeit verbunden, wurden geizig und versagten sich alles; jeder Heller war ihnen heilig. Mit voller Absicht widmete sich Cäsarine ihrem Geschäft mit der hingebenden Schwärmerei eines jungen Mädchens. Sie verbrachte die Nächte, indem sie sich den Kopf darüber zerbrach, wie dem Geschäft zu einem weiteren Aufschwung verholfen werden könne; sie erfand neue Stoffmuster und entfaltete ihre angeborene kaufmännische Begabung in genialer Weise. Die Geschäftsinhaber waren genötigt, ihren Arbeitseifer zu zügeln, und belohnten ihn mit Gratifikationen; aber wenn sie ihr Putz und Schmucksachen schenken wollten, so lehnte sie ab, sie wollte nur Geld! Jeden Monat brachte sie ihr Gehalt und ihre kleinen Sondergewinne ihrem Onkel Pillerault, und ebenso machte es Cäsar und ebenso seine Frau. Da alle drei sich nicht für geschickt genug hielten und keiner allein die Verantwortung für eine gute Anlage ihrer Ersparnisse übernehmen wollte, so hatten sie Pillerault die endgültige Entscheidung darüber übertragen. Wieder zum Kaufmann geworden, legte der Onkel das Geld in Börsengeschäften an. Später wurde bekannt, daß er dabei von Jules Desmarets und Joseph Lebas unterstützt worden war, die sich beide bemüht hatten, ihm sichere Anlagen nachzuweisen. Der ehemalige Parfümhändler, der bei seinem Onkel lebte, wagte nicht, ihn über die Unterbringung des Geldes, das durch seine, seiner Frau und seiner Tochter Arbeit erworben wurde, zu befragen. Gesenkten Hauptes ging er über die Straße und versuchte, sein niedergeschlagens, entstelltes, stumpf gewordenes Gesicht allen Blicken zu entziehen. Er machte sich sogar Vorwürfe, daß er gute Stoffe trug.
    »Wenigstens«, pflegte er zu sagen und blickte dankbar auf den Onkel, »brauche ich nicht das Brot meiner Gläubiger zu essen. Das Brot, das Sie mir geben, wenn es auch nur aus Mitleid mit mir geschieht, schmeckt mir süß, wenn ich bedenke, daß dank dieser himmlischen Güte, ich nichts von meinem Gehalt wegzunehmen brauche.« Die Kaufleute, die dem Angestellten begegneten, konnten keine Spur mehr von dem alten Parfümhändler wahrnehmen. Die Gleichgültigsten bekamen einen ungeheuren Begriff von dem Sturz der Menschen aus ihrer Höhe, wenn sie das Gesicht dieses Mannes ansahen, in das der schwärzeste Kummer seine Zeichen gegraben hatte, und das von dem, was es niemals früher beschäftigt hatte, zerstört wurde: vom Nachdenken! Zerstört aber wird nur der, der sich nicht dagegen sträuben will. Leichtlebigen, gewissenlosen Leuten wird man niemals ihr Unglück anmerken. Das religiöse Gefühl allein vermag niedergeworfenen Existenzen seinen besonderen Stempel aufzudrücken; diese glauben an eine Zukunft, an eine Vorsehung; es schwebt ein Leuchten über ihnen, das kennzeichnend ist, eine Art frommer Ergebung mit Hoffnung vermischt, die rührend ist; sie wissen, was sie alles verloren haben, wie der gefallene Engel, der an der Pforte des Himmels weint. Kridare dürfen nicht an der Börse erscheinen. Cäsar, aus der Gesellschaft der vollberechtigten Kaufleute ausgestoßen, bot das Bild des am Himmelstor um Gnade flehenden Engels dar. Vierzehn Monate hindurch frommen Grübeleien über sein Unglück hingegeben, versagte sich Cäsar jedes Vergnügen. Obgleich der unveränderten Freundschaft der Ragons sicher, war es unmöglich, ihn zu bewegen, zu ihnen zum Diner zu kommen, ebensowenig wie zu Lebas, den Matifats, den Protez und Chiffrevilles, nicht einmal zu Herrn Vauquelin, die alle bemüht waren, Cäsars hervorragendem Verhalten Ehre zu erweisen. Er zog es vor, allein in seinem Zimmer zu bleiben, um nicht einem seiner Gläubiger unter die

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