Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
bemerkte der Parfümhändler. »Ich habe ihm, kurz gesagt, das Geheimnis meiner Erfindung mitgeteilt ...«
»Wir kennen dich ja in- und auswendig, Cäsar«, sagte der kleine Ragon und ergriff Cäsars Hände, die er mit innigem Freundschaftsdruck preßte.
Roguin war in ziemlicher Unruhe darüber, wie Claparon auftreten würde, dessen Ton und Manieren die ehrsamen Bourgeois leicht erschrecken konnte; er hielt es deshalb für nötig, die Geister vorzubereiten.
»Sie werden«, sagte er zu Ragon, Pillerault und den Damen, »ein Original zu sehen bekommen, das seine Tüchtigkeit hinter erschreckend schlechten Manieren verbirgt; er hat sich nämlich aus einer sehr untergeordneten Stellung durch seine Findigkeit in die Höhe gearbeitet. Da er in Bankierkreisen verkehrt, wird er sicherlich bald bessere Manieren sich aneignen. Sie können ihn auf dem Boulevard oder im Café in unordentlicher Kleidung herumlungern oder Billard spielen sehen; er macht dann den Eindruck eines richtigen Bummlers ... Aber das ist er durchaus nicht; er macht dann Studien, er denkt darüber nach, wie man die Industrie durch neue Pläne umgestalten könne.«
»Ich kenne das,« sagte Birotteau; »mir sind meine besten Ideen beim Spazierengehen gekommen, nicht wahr, mein Kind?«
»Claparon«, fuhr Roguin fort, »bringt dann nachts die auf das Nachdenken verwendete Zeit wieder ein. Alle diese sehr begabten Leute führen ein absonderliches, nicht zu erklärendes Leben. Aber bei all seiner Zerfahrenheit erreicht er doch, das kann ich bezeugen, sein Ziel; er hat es durchgesetzt, daß alle unsere Terrainbesitzer nachgegeben haben; sie wollten erst nicht, sie waren mißtrauisch geworden; da hat er sie auf eine falsche Fährte gebracht, hat sie kirre gemacht, indem er sie täglich aufsuchte, und nun sind wir Herren des Terrains.«
Ein eigenartiges Räuspern, wie es die Verehrer von Kognak und starken Likören an sich haben, kündigte die Ankunft dieser merkwürdigsten Person unsrer Erzählung, die sichtlich die Entscheidung über Cäsars künftiges Geschick in der Hand hatte, an. Der Parfümhändler eilte zu der kleinen dunklen Treppe, um Raguet zu sagen, daß er den Laden schließen könne, und sich bei Claparon zu entschuldigen, daß er ihn im Speisezimmer empfangen müsse.
»Aber ich bitte, das ist doch hier sehr nett, um Gemüse zu ... um Geschäfte, wollte ich sagen, abzumachen.«
Trotz der geschickten Vorbereitung Roguins empfingen die Ragons, diese Bourgeois mit guten Manieren, der scharf beobachtende Pillerault, Cäsarine und ihre Mutter zuerst einen ziemlich peinlichen Eindruck von diesem angeblichen Bankier der vornehmen Kreise.
Bei einem Alter von etwa achtundzwanzig Jahren besaß dieser ehemalige Reisende nicht ein Haar mehr auf dem Kopfe und trug eine Perücke mit Korkzieherlocken. Diese Haartracht paßt zu jungfräulicher Frische, zu einem durchsichtigen hellen Teint, dem entzückendsten weiblichen Reize; sie paßte daher sehr übel zu einem finnigen, braunroten, wie das eines Postillions erhitzten Gesicht, dessen frühzeitige Runzeln durch die Verzerrungen ihrer tiefen überschmierten Falten auf ein liederliches Leben schließen ließen, dessen Folgen noch in dem schlechten Zustande der Zähne und den über die rauhe Haut verstreuten schwarzen Flecken sich geltend machten. Claparon sah aus wie ein Provinzkomödiant, der alle Rollen spielen kann, sich zur Schau stellt, auf dessen Backen die Schminke nicht mehr halten will, kraftlos infolge von Überanstrengung, mit schwammigen Lippen, im Reden, selbst in der Trunkenheit, unermüdlich, mit schamlosem Blick, kompromittierend in seinem ganzen Wesen. Dieses von der lustigen Flamme des Punsches leuchtende Gesicht strafte die Rede von der Wichtigkeit seiner Geschäfte Lügen. Deshalb mußte Claparon sich langen mimischen Übungen unterziehen, um sich eine Haltung beizubringen, die in Einklang mit seiner angeblichen Bedeutung stand. Du Tillet war bei Claparons Toilette zugegen gewesen, wie ein Theaterdirektor, der wegen des Debüts seines Hauptschauspielers in Sorge ist. Denn er fürchtete sehr, daß die rohen Manieren dieses liederlichen Lebemannes das künstliche Äußere eines Bankiers durchbrechen könnten. »Sprich so wenig wie möglich«, hatte er zu ihm gesagt. »Ein Bankier schwatzt niemals; er handelt, er überlegt, denkt nach, hört zu und wägt ab. Willst du also als Bankier erscheinen, so sage nichts, oder rede über unwichtige Dinge. Bändige deinen fidelen Blick und sieh ernst
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