Kuss mit lustig
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In meiner Küche gibt es immer einen Vorrat an Crackern und Käse, an Brathühnchen und frischen Landeiern, und immer stehen Kaffeebohnen zum Mahlen bereit. So weit der fromme Wunsch. Die Wirklichkeit sieht anders aus. In der Teddybärchen-Plätzchendose bewahre ich meine Smith&Wesson auf, im Mikrowellenherd meine Oreo-Kekse, im Regal über dem Küchentresen stehen ein Glas Erdnussbutter und das Hamsterfutter, im Kühlschrank Bier und Oliven. Für den Notfall habe ich sonst immer noch eine Geburtstagstorte in der Tiefkühltruhe, aber auch von der ist nichts mehr da.
Ich wäre liebend gerne eine richtige Haushaltsfee. Ehrlich! Doch von der Geburtstagstorte würde so oder so nie etwas übrig bleiben. Ich meine, zum Essen kauft man sie schließlich! Nur: Was weg ist, ist weg, und ohne Kuchen-Notration steht man manchmal ganz blöd da. Das Gleiche gilt für die Cracker, den Käse, die Eier und die Brathühnchen, die von meiner Mutter waren. Kaffeebohnen im Regal, das ist auch schon eine Ewigkeit her. Ich besitze ja nicht einmal eine Kaffeemühle. Natürlich könnte ich zwei Geburtstagstorten auf einmal kaufen, aber ich befürchte, dass ich sie dann auch beide auf einmal essen würde.
Ich heiße Stephanie Plum, und zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass auch Brot und Milch auf meinem Einkaufszettel stehen und dass ich keine ansteckenden Krankheiten habe. Ich bin ziemlich genau 1,70 Meter groß. Mein Haar ist brünett, schulterlang und gelockt. Meine Augen sind blau. Meine Zähne regelmäßig. Meine Maniküre war vor drei Tagen noch einigermaßen top, und meine Figur ist o.k. Ich arbeite als Kautionsdetektivin für meinen Vetter Vinnie, und als ich heute in Loretta Rizzis Küche stand, stellte ich fest: Erstens hat mich Loretta beim Wettbewerb um die renovierungsbedürftigste Küche um Längen geschlagen. Und zweitens bin ich gegen sie im Club der tickenden Zeitbomben eine Karteileiche.
Es war acht Uhr morgens. Loretta trug ein knöchellanges rosa Nachthemd und hielt sich eine Pistole an die Schläfe.
»Ich erschieße mich«, drohte sie. »Dir kann das ja wurscht sein, du kriegst dein Geld so oder so, ob ich tot bin oder lebendig.«
»Theoretisch ja«, sagte ich. »Aber bei Toten gibt es immer Stress. Allein der ganze Papierkram!«
Viele Leute, für die Vinnie die Kaution stellt, kommen aus Chambersburg, dem Viertel in Trenton, New Jersey, in dem ich wohne. Loretta Rizzi gehörte auch dazu. Mit Loretta bin ich zusammen zur Schule gegangen. Sie ist ein Jahr älter als ich, aber sie verließ die Highschool vor der letzten Klasse, weil sie schwanger war. Jetzt sollte ihr der Prozess wegen bewaffneten Raubüberfalls gemacht werden, und sie war drauf und dran, sich das Gehirn aus dem Schädel zu pusten.
Vinnie hatte eine Kaution für sie hinterlegt, aber Loretta war anschließend nicht zu ihrem Termin vor Gericht erschienen, deswegen wurde ich losgeschickt, um sie ins Gericht zu schleifen. Zum Glück erwischte ich sie gerade in einem unpassenden Moment und verhinderte so ihren Selbstmord.
»Ich wollte nur was zu trinken«, sagte Loretta.
»Na gut, die meisten Leute gehen dafür in eine Kneipe. Du hast gleich einen Spirituosenladen überfallen.«
»Ich hatte kein Geld, es war heiß, und ich brauchte unbedingt einen Tom Collins.« Eine Träne rollte ihr über die Wange. »In letzter Zeit habe ich immer so einen Durst.«
Loretta ist einen halben Kopf kleiner als ich. Sie hat schwarze Locken und eine kräftige Figur. Ihre Muckis holt sie sich beim Servierbrettstemmen auf Feuerwehrfesten. Seit der Schule hat sie sich kaum verändert. Ein paar Krähenfüße um die Augen, ein strengerer Zug um den Mund, das ist auch schon alles. Sie ist italienischer Abstammung und mit halb Burg verwandt, einschließlich Joe Morelli, meiner offenen Zweierbeziehung.
»Es ist deine erste Straftat, und du hast niemanden getötet. Wahrscheinlich kommst du vor Gericht mit einem blauen Auge davon«, beruhigte ich Loretta.
»Ich hatte meine Tage«, sagte sie. »Ich konnte nicht mehr klar denken.«
Loretta wohnt zur Miete in einem Reihenhaus am Rand von Burg. Zwei Schlafzimmer, ein Bad, eine blank geputzte Puppenstubenküche und ein Wohnzimmer, vollgestellt mit Möbeln vom Sperrmüll. Gar nicht so einfach, als alleinstehende Mutter ohne Schulabschluss über die Runden zu kommen.
Die Hintertür sprang auf, und meine Assistentin Lula steckte den Kopf durch den Spalt. »Was ist los? Ich habe keinen Bock mehr, draußen im Auto zu warten.
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