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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Niederträchtigkeiten, die ihn dem Schuldner überlegen machen. Mit süßlicher Höflichkeit beginnend, gingen die Gläubiger zu dem Rot der Ungeduld, zu dem düsteren Geknatter der Zudringlichkeiten, zu Ausbrüchen getäuschter Erwartungen, zu dem kalten Blau eines gefaßten Entschlusses und endlich zu der schwarzen Unverschämtheit einer beantragten gerichtlichen Vorladung über. Braschon, der reiche Tapezierer aus dem Faubourg Saint-Antoine, der keine Einladung zum Ball erhalten hatte, schlug als Gläubiger, der sich in seiner Selbstsucht verletzt fühlte, zuerst Lärm; er wollte binnen vierundzwanzig Stunden bezahlt sein; er forderte Sicherheiten, und zwar nicht eine Verpfändung des Mobiliars, sondern eine Hypothek, hinter den vierzigtausend Franken auf das Grundstück des Faubourg einzutragen. Immerhin ließen sie, trotz der Heftigkeit ihrer Vorstellungen, ihm doch noch einige Pausen der Ruhe, während deren Birotteau aufatmen konnte. Aber anstatt diese Tirailleurgefechte gegen seine schwierige Lage mit einem energischen Entschluß abzuschlagen, wendete Cäsar sein ganzes Kopfzerbrechen dazu an, zu verhindern, daß seine Frau, der einzige Mensch, der ihm hätte raten können, etwas davon erfuhr. Er stand Wache vor seiner Ladentür und paßte ringsherum auf. Er hatte Cölestin ins Vertrauen gezogen bezüglich seiner augenblicklichen Notlage und Cölestin prüfte seinen Chef mit einem ebenso neugierigen wie erstaunten Blick: in seinen Augen setzte sich Cäsar selbst herab, wie sich in Notlagen die Leute herabsetzen, die an Erfolg gewöhnt sind, und deren ganze Stärke in der Geschicklichkeit besteht, die die Routine Durchschnittsintelligenzen verleiht. Ohne die Fähigkeit, sich mit der notwendigen Energie an so vielen bedrohten Punkten zu gleicher Zeit zur Wehr zu setzen, hatte Cäsar doch den Mut, sich über seine Lage klar zu werden. Für das Ende des Monats Dezember und zum 15. Januar mußte er für sein Haus wie für fällige Wechsel, Miete und laufende Verpflichtungen einen Betrag von sechzigtausend Franken aufbringen, davon dreißigtausend für den 30. Dezember; aus all seinen Hilfsquellen konnte er kaum zwanzigtausend herausholen; es fehlten ihm also zehntausend. Das erschien ihm durchaus noch nicht verzweifelt, denn er dachte bereits nur an den nächsten Augenblick, wie ein Abenteurer, der in den Tag hinein lebt. Bevor das Gerücht über seine peinliche Lage sich in der Öffentlichkeit verbreitete, wollte er daher etwas versuchen, was ihm als ein wichtiger Schritt erschien, sich nämlich an den bekannten Franz Keller zu wenden, den Bankier, Kammerredner und Philanthropen, berühmt wegen seiner Wohltätigkeit und wegen seiner Bemühungen, dem Pariser Handel zu nützen, der bestrebt war, stets als Pariser Deputierter in der Kammer aufzutreten. Der Bankier war Liberaler, Birotteau Royalist; aber der Parfümhändler beurteilte die Menschen mit dem Herzen und sah in der Verschiedenheit der politischen Anschauungen einen Grund mehr, einen Kredit zu erhalten. Wenn Unterlagen erforderlich sein sollten, so zweifelte er nicht an Popinots Opferwilligkeit, von dem er Wechsel über etwa dreißigtausend Franken erbitten wollte, die auch dazu dienen sollten, seinen Prozeß zu gewinnen, und womit er dann den drängendsten Gläubigern eine Garantie bieten konnte. Der mitteilsame Parfümhändler, der seiner geliebten Konstanze auf dem Kopfkissen die kleinsten Ereignisse seines täglichen Lebens erzählte, der hier Mut schöpfte, der durch ihren Widerspruch aufgeklärt wurde, konnte sich jetzt über seine Lage weder mit seinem ersten Kommis, noch mit seinem Onkel, noch mit seiner Frau aussprechen.
    Die Gedanken, die er sich machte, bedrückten ihn doppelt. Aber dieser edle Märtyrer wollte lieber leiden, als die Seele seiner Frau in Brand setzen: er wollte sie von der Gefahr erst in Kenntnis setzen, wenn sie vorüber sein würde. Vielleicht schrak er auch vor solch einer furchtbaren Beichte zurück. Die Angst, die ihm seine Frau einflößte, stachelte seinen Mut an. Alle Morgen begab er sich nach Saint-Roch, um eine stille Messe zu hören, und schüttete vor Gott sein Herz aus. »Wenn ich von Saint-Roch nach Hause gehe und keinen Soldaten treffe, so wird meine Bitte erfüllt werden. Dadurch wird Gott mir antworten«, sagte er sich, nachdem er Gott um Hilfe angefleht hatte.
    Und er war glücklich, wenn er keinem Soldaten begegnete. Aber das Herz war ihm so schwer, daß er ein anderes Herz haben mußte, an dem er sich

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