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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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fünfhundert Franken für jede große Zeitung zugesagt, aber es gab deren zehn! – dreihundert Franken für jede Zeitung zweiten Ranges, und davon gab es wiederum zehn! –, unter der Bedingung, daß dreimal im Monat eine Notiz über das Huile Céphalique gebracht würde. Bei diesen achttausend Franken verdiente Finot dreitausend, der erste Einsatz, den er auf dem großen grünen Riesenspieltisch der Spekulation wagen wollte! Er hatte sich daher wie ein Löwe auf seine Freunde und Bekannten gestürzt, er wohnte förmlich in den Redaktionsbureaus, er erschien frühmorgens am Bett bei allen Redakteuren und abends war er in allen Theaterfoyers zu sehen. »Denk an mein Öl, lieber Freund, ich selbst habe nichts davon, es ist ein Freundschaftsdienst, weißt du, für Gaudissart, den Lebemann.« Damit begannen und schlossen alle seine Unterredungen. Er stürzte sich auf das Ende aller Schlußspalten der Zeitungen, und setzte dort Artikel hinein, deren Bezahlung er den Redakteuren überließ. Verschlagen wie ein Statist, der Schauspieler werden will, beweglich wie ein Laufbursche, der sechzig Franken im Monat verdient, schrieb er verfängliche Briefe, schmeichelte jeder Eigenliebe, leistete den Chefredakteuren unsaubere Dienste, um seine Artikel anzubringen. Geld, Dinereinladungen, Gemeinheiten, alles mußte seinem leidenschaftlichen Tatendrang dienen. Mit Theaterbilletts bestach er die Arbeiter, die den Satz der Zeitungen gegen Mitternacht beenden, damit sie noch einige immer bereit gehaltene Notizen unter »Vermischtes«, dem Notbehelf der Zeitung, einschoben. Finot verweilte dann in der Druckerei, als ob er mit der Korrektur eines Artikels beschäftigt wäre. Mit allen Leuten befreundet, erreichte er es, daß das Huile Céphalique über die Paste Regnauld, die Brasilianische Mixtur, kurz, über alle jene Erfindungen triumphierte, die zuerst so gescheit waren, den journalistischen Einfluß und die trompetenartige Wirkung zu begreifen, die ein immer wiederkehrender Artikel auf das Publikum ausübt. In dieser harmlosen Zeit waren viele Journalisten wie die Ochsen; sie kannten ihre Macht nicht, sie beschäftigten sich mit Schauspielerinnen, mit Florine, Tullia, Mariette usw. Sie verstanden alles und erwarben nichts. Andoche kümmerte sich nicht um die Claque für eine Schauspielerin, noch um die Anbringung eines Theaterstücks, noch um die Annahme seiner eigenen kleinen Lustspiele, noch um die Bezahlung seiner Artikel; im Gegenteil, er bot im geeigneten Moment noch Geld, oder gelegentlich ein Frühstück an; es gab daher keine Zeitung, die nicht über das Huile Céphalique schrieb, davon, daß es den Untersuchungen Vauquelins entsprach, die sich nicht über diejenigen lustig machte, die glaubten, daß man die Haare wieder wachsen machen könne, und die nicht vor den Gefahren des Färbens warnte.

Diese Artikel erquickten die Seele Gaudissarts, der sich mit den Zeitungen bewaffnete, um die Vorurteile zu zerstreuen, und der auf die Provinz das losließ, was die Spekulanten seitdem nach ihm eine »volle Ladung« nennen. Zu dieser Zeit beherrschten die Pariser Zeitungen die Departements, die »noch ohne Organe« waren, die Unglücklichen! Die Journale wurden daher hier ernsthaft durchstudiert, vom Kopf bis zum Namen des Druckers, bis zu der Stelle, wo sich der Spott der verfolgten politischen Ansichten verstecken konnte. Gestützt auf die Presse, hatte Gaudissart schon in den ersten Städten, wo er sein Mundwerk losließ, einen glänzenden Erfolg. Alle Ladenhändler wollten eingerahmte Ankündigungen mit dem Bilde von Hero und Leander haben. Finot hatte über das Macassaröl eine reizende Parodie verfaßt, die in den Funambules große Heiterkeit erregte, wenn Pierrot einen alten Haarbesen nimmt, der nur noch Löcher hat, Macassaröl darauf gießt und ihn dann dicht belaubt wie einen Wald vorzeigt. Diese Ironie erregte allgemeines Gelächter. Finot erzählte später mit Vergnügen, daß er damals ohne die tausend Taler vor Elend und Kummer gestorben wäre. Die tausend Taler bedeuteten für ihn ein Vermögen. Bei diesem Feldzug ahnte er als erster die Macht der Anzeige, von der er einen so großen und so geschickten Gebrauch machte. Drei Monate später war er Chefredakteur einer kleinen Zeitung, die er schließlich ankaufte und die der Grundstein seines Vermögens wurde. Ebenso wie die volle Ladung, die der berühmte Gaudissart, der Murat der Reisenden, auf die Departements und die Grenzgebiete abgeschossen hatte, dem Hause A.

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