Cäsar Cascabel
Blätter und Blumen würden nicht lange zaudern, ihre Frühlingsfarben zu vereinen.
Die Gegend bot jetzt den Anblick, welcher nordischen Ländern eigentümlich ist. Das Fraserthal war von Wäldern eingefaßt, in denen das nordische Element dominierte: Cedern, Tannen und auch jene Douglas-Fichten, welche bei einem Umfange von fünfzehn Meter am Fuße des Stammes ihre Wipfel zu einer Höhe von hundert Fuß und mehr über dem Erdboden erheben. Die Wälder und Ebenen waren reich an Wild, und ohne sich zu weit zu entfernen, vermochte Jean den täglichen Anforderungen der Küche leicht zu entsprechen.
Übrigens sah diese Gegend keineswegs wie eine Wildnis aus. Hie und da lagen Dörfer, wo die Indianer in ziemlich gutem Einverständnisse mit den Beamten der angelsächsischen Verwaltung zu leben schienen. Auf dem Flusse sah man Flottillen jener Kanoes aus Cedernholz, welche mit Hilfe der Strömung abwärts treiben, oder mittelst Segel und Rudern stromaufwärts geführt werden.
Auch begegnete man häufig nach Süden ziehenden Rothäuten. In ihre weißen Wollmäntel gehüllt, wechselten sie zwei, drei Worte mit Herrn Cascabel, der sie schließlich wohl oder übel verstehen lernte; sie bedienten sich nämlich eines eigentümlichen Idioms, des Chinouk, einer Mischung der französischen und englischen Sprache mit dem Jargon der Eingeborenen.
»Wohl!« rief er aus. »Nun kann ich Chinouk!… Noch eine Sprache, die ich spreche, ohne sie je erlernt zu haben!«
Dieser Führer nannte sich Ro-No. (Seite 56.)
Chinouk ist in der That – wie Ro-No gesagt hatte – der Name jener westamerikanischen Sprache, deren sich die verschiedenen Völkerschaften bis in die alaskischen Provinzen hinauf bedienen.
Dank dem frühen Anbruche der heißen Jahreszeit, waren die Schneemassen des Winters fast ganz verschwunden, obgleich sie sich manchmal bis in die letzten Tage des April halten. Folglich ging die Reise unter günstigen Bedingungen von statten. Ohne es zu sehr anzustrengen, trieb Herr Cascabel sein Gespann nach Möglichkeit vorwärts, um das kolumbische Gebiet je eher hinter sich zu lassen. Die Temperatur stieg allmählich, was man schon an den Moskitos allein bemerkt haben würde, die bald unerträglich wurden. Es fiel sehr schwer, das Innere der Belle-Roulotte davon frei zu halten, selbst mit der Vorsicht, nachts keinerlei Licht darin zu brennen.
»Verwünschte Tiere!« rief Herr Cascabel eines Tages nach einem vergeblichen Kampfe mit den quälenden Insekten.
»Ich möchte nur wissen, wozu diese garstigen Mücken da sind?« fragte Xander.
»Sie sind dazu da… um uns aufzufressen…« antwortete Clou.
»Und um besonders die Engländer in Kolumbia aufzufressen!« fügte Herr Cascabel hinzu. »Kinder! Formelles Verbot, eine einzige zu töten! Für die Herren English kann es ihrer nie zu viele geben; und das tröstet mich!«
Während dieses Teiles der Reise war die Jagd außerordentlich ergiebig. Man sah häufig Wild, besonders Damhirsche, die aus den Wäldern in die Ebenen herabkamen, um ihren Durst an den fließenden Wassern des Fraser zu stillen. Stets von Wagram begleitet, vermochte Jean einige derselben zu erlegen, ohne sich unvorsichtig weit zu entfernen – was seine Mutter beunruhigt haben würde. Manchmal ging Xander, glücklich, seine ersten Waffenthaten unter der Leitung seines älteren Bruders zu unternehmen, mit ihm auf die Jagd, und es wäre schwer gewesen, zu sagen, wer flinker und leichtfüßiger sei, der junge Jäger oder der Wachtelhund.
Jean, der sich bisher nur der Erbeutung einiger Damhirsche rühmen konnte, hatte jetzt auch das Glück, einen Büffel zu erlegen. Bei dieser Gelegenheit geriet er in ernstliche Gefahr; denn das durch seinen ersten Schuß bloß verwundete Tier raunte auf ihn zu und würde ihn unfehlbar zu Boden geworfen, zerstampft und aufgespießt haben, wenn er es nicht im letzten Augenblick durch einen Schuß vor den Kopf niedergestreckt hätte. Man kann sich denken, daß er die Einzelheiten dieses Vorfalles verschwieg. Aber da die kühne That einige hundert Schritt weit vom Ufer des Fraser vollbracht worden, mußte man die Pferde ausspannen, um das ungeheure Tier zu schleppen, das mit seiner dicken Mähne einem Löwen glich.
Man weiß, wie nützlich dieser Wiederkäuer dem Prairie-Indianer ist, der sich nicht scheut, ihn mit Pfeil oder Lanze anzugreifen. Seine Haut bildet das Bett des Wigwams, die Decke der Familie, und erzielt häufig einen Kaufpreis von cirka zwanzig Piastern. Was
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