Cäsar läßt grüssen
Er hat auch die Stadt, das Stadtbild, mit einem riesigen Bauvorhaben verändert: er ist der Erbauer des größten Forums des römischen Reiches.
Das alte, antike Forum romanum, immer noch offizieller Mittelpunkt, hatte schon zu Caesars Zeiten nicht mehr ausgereicht, die Menschenmenge zu fassen. Caesar hatte, jenseits der heutigen Via fori imperiali, einen zweiten Platz angelegt. Augustus fügte einen noch größeren hinzu. Das Forum des Trajan wurde das größte; es war von Bibliotheken und Wandelhallen umgeben, flankiert von einem Fialbkreis von sechsstöckigen Ladengalerien mit hundertfünfzig Geschäften, die man in den Hang des schwach ansteigenden Quirinais hineingebaut hatte. (Den Quirinal dürfen wir uns nicht mehr als grünes Hügelchen vorstellen, Rom war bis auf den letzten Fleck von Mietshäusern verwarzt.)
Ja, er war ein guter Kaiser.
Der nächste, Hadrian, war auch ein guter Kaiser. Der übernächste, Antoninus Pius, auch.
Und der überübernächste, Marc Aurel, war geradezu der »Philosoph auf dem Kaiserthron«, wie ich höre. Können Sie verstehen, daß ich ganz nervös werde, wenn ich daran denke, was mir in den nächsten Seiten bevorsteht?
Nein?
Sehen Sie, es ist furchtbar, aber wahr: Das Gute ist leicht ein bißchen langweilig. Ich liebe das Gute, ganz gewiß, besonders wenn ich ihm begegne. Wenn es aber sehr weit zurückliegt, dann entdecke ich in meinem Herzen eine Undankbarkeit, die mich erschreckt und schleunigst veranlaßt hat, darüber nachzudenken. Bei dieser Tätigkeit habe ich herausgefunden, wo der Haken liegt. Es gibt nämlich zweierlei »Gutes«, ich bin nicht von selbst darauf gekommen, sondern durch Wilhelm Busch. Es gibt ein faßbares und ein nicht faßbares Gutes. Ahnt’ ich es doch! Nehmen wir zum Beispiel Antoninus Pius, zu dem wir bald kommen werden. Was hat er getan? Hat er die Sozialversicherung, die verbilligte Rückfahrkarte oder das dreizehnte Monatsgehalt eingeführt? Hat er die Krankenhäuser erfunden? Nichts dergleichen. Er war »unfaßbar« gut. Sein »Gutsein« bestand in dem, was Wilhelm Busch wissenschaftlich so formuliert hat: Das Gute, dieser Satz steht fest, ist stets das Böse, das man läßt.
Trajan war ein faßbar guter Kaiser. Hadrian schon weniger. Und Antoninus und Marc Aurel waren unfaßbar gute Kaiser. Und das ist es, so schwant mir, was uns beide, Sie als Leser und mich als Chronisten in den nächsten Seiten vor eine harte Aufgabe stellen wird. Ich kann Sie jedoch damit trösten, daß nach Marc Aurel gleich wieder ein unbeschreiblicher Sau-stall losgehen wird, in dem wir uns sofort wieder wie zuhause fühlen werden.
Nach dieser notwendigen Abschweifung könnte ich Ihnen nun das Todesdatum Trajans mitteilen, das immer (mit Ausnahme bei Lexika) am Ende eines Lebens steht. Ich würde mich damit aber einer kleinen Unterlassungssünde schuldig machen. Ich muß noch kurz Trajans äußerliche Erscheinung erwähnen.
Wenn Sie durch die Korridore italienischer Museen gehen (antike Plastiken sind meistens in Korridoren abgestellt), so finden Sie mit Sicherheit das leicht erkennbare Porträt dieses Kaisers, eventuell seine ganze Statue. Bis zum Jahre 1587 hätten Sie seine goldene Statuette auch auf der Spitze der Trajanssäule in Rom bewundern können, dann hat man den Heiden, der der christlichen Toleranz leider nie teilhaftig gewesen ist, heruntergeholt und eingeschmolzen zu etwas Besserem. Heute können Sie an seiner Stelle Sankt Petrus bewundern.
Trajan scheint ziemlich groß gewesen zu sein. Er trug die Haare kurz wie Titus, und sie fielen ihm als Pony-Frisur in die breite Stirn. Seine Augen wirkten in den Lidern etwas verschwollen. Er hatte einen Schnutenmund und ein Balkonkinn. Darüber saß eine lange, fleischige Tapirnase. Das alles ist sehr anheimelnd. Oh Welt, mißtraue den Schönlingen! Lasse sie nie höher steigen als bis zum Bundeskanzler! Trajan starb auf der Heimkehr von einem Feldzug im fernen Cilicien im August 117 n. Chr.
*
Er starb, ohne einen Nachfolger designiert zu haben. Daß er im letzten Moment noch Hadrian adoptiert haben soll, ist, wie man heute annimmt, eine kleine Notlüge des Senats mit Hilfe von Witwe Trajan gewesen. Hadrian stammte ebenfalls aus Italica, war ein entfernter Verwandter Trajans, hatte unter ihm als Militärquästor gedient und jahrelang mit ihm zusammengelebt. Er war der Familie also wohlbekannt. Bekannt in seiner persönlichen Sauberkeit, Friedfertigkeit und Tüchtigkeit. Daß Trajan in ihm den künftigen
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