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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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alles aneinandergereiht. In Hellas hätte Artemis ihre Lieblingswölfin geschickt, und der Hirte wäre der berühmte Centaur Dr. phil. Chiron gewesen, der schon Achill erzogen hat. Vielleicht wäre sogar Hermes persönlich bemüht worden. Dann dieser farblose Onkel-Bösewicht! Kein Grieche in seiner Position hätte es sich entgehen lassen, auch noch Blutschande mit seiner Großmutter zu treiben, Zeus zu lästern und irgendeine heilige Kuh zu töten und zu verbraten.
    Nichts dergleichen hier. Ein einziges Mal tritt Mars, der Kriegsgott, auf, schwängert fahrig die Mutter der Zwillinge, sagt nicht »Danke schön« und nicht »Adieu«, läßt auch nichts springen, sondern ist eine Sekunde nach der unbefleckten Empfängnis nicht mehr da. Er ist weg. Ohne Blitz und ohne Donner. Mit Recht hätten die Griechen gesagt: »Das war nicht Mars, das war der Gärtner.«
    In dieser Ungleichheit der beiden antiken Versionen offenbart sich bereits der ganze Unterschied zwischen Hellas und Rom. Zwei Welten.
    Es erhebt sich nun die Frage, wann und von wem dieser kolossale Topf von Plagiaten eigentlich zusammengebraut worden ist. Merkwürdigerweise war diese Frage den modernen Romanisten immer gleichgültig. Mir aber ist sie es nicht. Ich möchte den oder die Fabulierer vor meinem geistigen Auge so gerne irgendwo sitzen sehen, vielleicht im Peristyl des Vergil'schen Landhauses in Nola, mit der Odyssee auf dem Schoß und einer schwarzen Brasil im Munde. Ich könnte mir den Erfinder auch, weitaus ungemütlicher, zweihundert Jahre früher in einem Wüstenzelt des Scipio Africanus vorstellen; zur Not noch einmal dreihundert Jahre früher in dem bäuerlichen Tablinum des Gaius Mucius Scaevola, wo es dann noch etwas nach verbrannter Rechter riechen würde. Man sitzt beisammen, hat gut gegessen, plaudert, trinkt, vertritt sich im Atrium ein bißchen die Füße, tätschelt die Sklavin, geht mal austreten, kehrt zurück, macht Scherze, ein Wort gibt das andere, und plötzlich hat jemand den Mythos Roms erfunden. Nein?
    Wieso nicht?
    Weil Legenden und Mythen nur in langen Generationen im Volke wachsen?
    Ja, ja! Aber hier ist ein Mythos nicht gewachsen, sondern gestohlen worden. Und zwar von offensichtlich gebildeten Männern, von Personen, die das griechische Gedankengut kannten zu einer Zeit, als »das Volk« noch nicht genau wußte, ob Hellas ein Land oder ein Fußballklub war.
    Lassen Sie uns einmal rechnen: Die ersten wirklich geschichtlichen Griechen kamen kurz vor 700 angesegelt, Korinther, die auf Sizilien die Kolonie Syrakus gründeten, und Chalkidier, die in der Bucht des Vesuvs die Siedlung Cumae anlegten. Warum, das weiß der liebe Gott, denn Chalkidien (Halbinsel Saloniki) ist auch keine häßliche Gegend. Ihr vorgelagert ist bekanntlich die Insel Lemnos, auf der man viele sprachliche Übereinstimmungen des alten Lemnischen mit dem Etruskischen gefunden hat: vielleicht also wollten die Chalkidier mal ihre feinen Verwandten, die Etrusker, besuchen, die schon eine ganze Weile in Mittelitalien saßen. Zu dieser Zeit war der sagenhafte Romulus tot und der schon weniger sagenhafte Numa Pompilius König von Rom. Interessant ist nun, daß man sich von diesem König erzählt, er habe das religiöse Leben Roms »gestaltet«, die Gebräuche, Lehren und Riten festgelegt, die Priesterkaste begründet und den Pontifex maximus eingeführt.
    Sehen Sie: Diesen Mann habe ich im Verdacht, den gewaltigen Topf von Legenden angesetzt zu haben. Es paßt alles so gut ineinander. Auf alle Fälle möchte ich vor ihm tief meinen Hut ziehen, denn dann war er zwar ein Kleptomane, aber der wahre Homer der Römer.
    Wenn Homer blind gewesen ist, Numa Pompilius war es bestimmt nicht. Was er geleistet hat, war Maßarbeit für die römische Mentalität. Er verhält sich zu dem Griechen wie Calvin zu Luther. Mit Luther endet man beim Frieden von Münster und Osnabrück, mit Calvin beim britischen Empire.

    *

    Nun hatten sie also ihren Mythos.
    Das war aber auch so gut wie alles, was sie hatten. Sie saßen in fünfzig dürftigen Lehmhäusern auf dem Palatin, in fünfzig dürftigen Lehmhäusern auf dem Kapitol und in fünfzig Hütten auf dem Quirinal. Die Hügel boten eine ganz nette Aussicht, man zählte sieben. Manche sind heute kaum noch erkennbar, denn das Tal hat sich in zweieinhalbtausend Jahren durch Bauabbrüche und Aufschüttungen erheblich angehoben. Cicero hat später der Klugheit der Stadtgründer eine lange Hymne gesungen; sie hätten den besten Punkt

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