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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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und dreistöckig, Ladenstraßen, Tempel in Massen, Arena, Forum, Kasinos, Puffs, alles da. Na ja, die leben von ihrem Sold ganz gut, und Todeskommandos sind das alles nicht mehr. Eigentlich schön, daß das Imperium so fest dasteht. Es lebt sich gut, wir wollen mal der Wahrheit die Ehre geben, es lebt sich sehr anständig, auch in Verona. Onkel bewohnt ein großes Gartenhaus, mit zwei Sklavenfamilien, zwei Mägden, einem Inspektor, einem Buchhalter; das sind mit ihm, Tante, zwei Schwiegereltern und Marcus vierzehn Gestalten! Onkel hat seine Bibliothek, sein Spielzimmer, seinen Tierzwinger, seine drei Pferde, den Reisewagen, die kleine Kutsche, die zwei Sänften. Da ist der Hausarzt mit seinen ewigen Besuchen, da geht man ins Theater, da geht man zu einer Dichterlesung, da lädt man zum Abendessen, da fährt man im heißen August in die Berge, im Frühling auch mal nach Bononia oder gar nach Rom, von wo man eigentlich immer enttäuscht zurückkehrt. Eine verrottete Stadt. Daß sie nicht nackt auf den Straßen rumlaufen, ist ein Wunder. Gibt es da überhaupt noch eine Ehe, die in Ordnung ist? — — na ja, Verona ist nicht Rom, es lebt sich hier schon recht gut. Und wenn nicht diese miserablen Zähne wären, dann lebte es sich noch viel ungestörter. Diese Zähne! Vor allem unten! Daß die gottsverdammten Ärzte immer noch nicht weiter sind! Entweder hilft Kamille und Myrrhe, oder sie reißen sie raus. Aber es muß doch möglich sein, am Zahn selbst was zu machen! Onkel mag die Ärzte nicht. Als ihm sein Arzt einmal bei einer lebensgefährlichen Erkrankung sagte, er müsse Vertrauen haben, denn er habe ja auch zum Kapitän eines Schiffes Vertrauen, hat Onkel ihm geantwortet: Ja, der ist aber auch mit drauf auf dem Kahn. Dabei ist Onkel nicht etwa ein Zyniker wie es heute Mode ist, das soll nur niemand glauben. Onkel ist herzensgut, er haßt alle blutigen Spiele und diese rohen Sachen, die immer mehr ausarten, je mehr Pöbel hinrennt. Er liebt den stillen Fioraz, und sein Wahlspruch ist: sic hortum cum bibliotheca habes nihil deerit. Zu seinem vierzigsten Geburtstag hat er sich zehn Kirschbäume geleistet. In Puteola, da, wo früher mal das Landhaus des Lucullus stand, ist eine Baumschule. Aber sündteuer! Und die Fracht! Zweiundzwanzig Tage unterwegs. Sie stehen wunderbar, und im nächsten Jahr werden sie zum erstenmal Kirschen tragen! Man stelle sich vor: Kirschen! Dann wird Onkel ein kleines Vollmondfest geben und eine Bowle brauen.
    Ach, verdammt, kann er ja gar nicht. Die Bowle ist noch nicht erfunden; es gab noch keinen Zucker.

    *

    Wie staunte Onkel, als die Nachricht aus Rom kam, wer neuer Kaiser geworden war! Der alte Republikaner hätte die Kunde eigentlich mit einer gewissen Genugtuung aufnehmen müssen, denn der neue Imperator besaß alles andere als das Air eines Monarchen; er fühlte sich auch nur als eine Art Alterspräsident. Aber Onkel war unbegreiflicherweise ebenso wenig glücklich wie das ganze Land. Eine Krone ohne Glanz, fühlte er, ist noch ärgerlicher, als eine Krone an sich schon.
    Tatsächlich vollzog sich die Thronbesteigung unter absurden Gesichtspunkten, und es stünde gerade den modernen Geschichtsbüchern gut an, etwas mehr verwundert zu sein, als sie es sind. Es ist der Augenblick, wo die Monarchie selbst den dynastischen Gedanken tötet und etwas anderes als Prinzip erfindet. Wichtig genug zum Staunen, denn es hat sich nie mehr in der Weltgeschichte wiederholt.
    Der neue Herr der Welt hieß Nerva, und er war seines Zeichens ein harmloser Senator, der bis zu diesem Tage als braver Beamter allmorgendlich zur Curia gewandert war, den Sekretär mit dem unerledigten Aktenstoß hinter sich und am rechten Zeigefinger noch etwas Tinte. Er stammte aus einer Juristenfamilie und war zu diesem Zeitpunkt etwa siebenundsechzig oder achtundsechzig Jahre alt. Er hätte sich niemals träumen lassen, mehr als Konsul zu werden, was er übrigens schon zweimal gewesen war, nämlich im Jahre 71 unter Vespasian (da war ein Konsulat noch was) und im Jahre 90 unter Domitian. Noch nie im Leben hatte er so viel gekatzbuckelt wie damals: Jawohl, Eure Göttlichkeit, zu Befehl, mein Gebieter.
    In dieser Rolle hatte ihn ganz Rom gesehen. Gewiß, auch Claudius war der Hofnarr Caligulas gewesen, aber immer »von Geblüt«. Nerva hatte kein »Geblüt«; für die Patrizier war er ein x-beliebiger Plebejer, für die Steinreichen war er ein Bürohintern, für den Senat der »alte Kollege«. Und nun war er Marcus Cocceius

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