Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
des Quintus Aurelius inzwischen ohne Zweifel vergessen; außerdem gäbe es keinen Grund für ihn, wem auch immer in einem Brief mitzuteilen, irgendein unbedeutender Centurio hasse ihn.
    Was er für Caesar empfand, war eine Mischung aus Bewunderung und Mißbilligung. In Gallien wie zuvor in Hispanien hatte er überflüssige Kriege begonnen, deren einziger Sinn es war, ihm zu Macht und Reichtum zu verhelfen. Bewundernswert war seine Gabe, seine Fähigkeit, diese Kriege zu führen, Männer zu höchsten Leistungen und unbedingtem Einsatz zu bringen, gleich ob einfache Soldaten oder hohe Of- fiziere aus edlen Sippen wie… den Legaten Quintus Tullius Cicero, Bruder des Redners. Das mußte es sein. Ciceros Bruder. Die einzige greifbare Verbindung. Vielleicht hatten sie in einem Lager, einem der tausend Marschlager in Gallien, abends Spottlieder gesungen oder über den Feldherrn gelästert, und der Legat hatte sich ein paar Namen und Gesichter gemerkt.
    Um sie später seinem Bruder weiterzugeben? Aber wozu? Cicero und sein Bruder gehörten zu jenen, die aus dem Ritterstand aufgestiegen waren oder noch aufsteigen wollten - Aurelius wußte nicht, ob dies Quintus Tullius bereits geglückt war - und die Vorrechte des senatorischen Adels verteidigten, da sie sich nach diesen sehnten. Caesar, aus der alten iulischen Familie, hatte sich auf die Seite des Volks gestellt, vermutlich nicht aus Liebe zu den Niederen, sondern weil er sich auf eine der beiden wichtigsten Gruppen stützen mußte, wenn er weiter aufsteigen wollte, und auf der des Senats stand bereits Pompeius, neben dem kein Platz mehr war. Daß beide Gruppen einander beäugten, bespitzelten, Listen mit wichtigen Leuten der jeweils anderen Seite führten, war unvermeidlich. Aber gingen sie wirklich so weit, auf diesen Listen schon Centurionen, Bauern und Handwerker zu verzeichnen? Männer, die keinerlei Bedeutung hatten und allenfalls Stimmvieh sein konnten?
    Plötzlich bemerkte er, daß der Dichter nebenan aufgehört hatte zu schnarchen. Aurelius räusperte sich.
    »Laßt mich, daß ich besser denke, ein wenig lüften und Licht hereinbitten«, sagte er. »Nicht, daß eure Vorschläge durch Licht und Luft erträglicher würden. Ich habe keine Lust, mich noch einmal in Galliens Ödnis zu begeben.«
    »Er hat keine Lust, hörst du?« sagte der zweite Mann mit einem deutlichen Unterton von Hohn.
    »Ach, Volturcius, wohin käme das Gemeinwesen, wenn jeder von uns allezeit sein Handeln nur nach seiner Lust ausrichtete? Das Heil des Volkes ist die höchste Pflicht, aber haben wir denn immer Lust, die dafür nötigen Dinge zu tun?«
    Volturcius. Nun wußte er, wer der zweite Mann war und woher er ihn kannte. Einer der wichtigsten Mitarbeiter von Milo, dem Politiker, der die Leibwachen und Schlägertrupps der adligen Senatoren aufstellte. ›Ich bin in bester Gesellschaft‹ dachte Aurelius; er ging durchs Dunkel des Speiseraums. Undeutlich sah oder ahnte er, daß der Dichter sich aufgerichtet hatte. Er beugte sich zu ihm.
    »Laß mich aus dem Fenster da«, hauchte der überlebende Zecher. »So, daß sie mich nicht sehen.«
    Es war nicht schwierig, den bespannten Rahmen aus jenem Fenster zu nehmen, das für die beiden in der Küche am wenigsten einsehbar war. Der Dichter kniff die Augen zusammen, fletschte die Zähne - beides galt vermutlich dem ätzend grauen Licht des Tages - und kroch fast geräuschlos ins Freie. In der Ferne hörte Aurelius Stimmen, Gelächter und das Klirren von Metall.
    »Wenn du aber nicht nach Gallien willst«, sagte Cicero in der Küche, »wenn dich also die borealen Gefilde nicht locken und auch nicht die Aussicht, den edlen Iulier mit Getreidebrei und Essig zu versehen - tja, dann ist unser Angebot wahrscheinlich zu hoch.«
    »So viel Geld« - Volturcius gluckste, während er das sagte -»bringt ihn wahrscheinlich eher dazu, in Rom zu bleiben.«
    »Üppiger Schwelgerei ergeben«, sagte Cicero. »Was will man aber auch von Plebejern erwarten? Etwa, daß sie sich um das Vaterland verdient machen? Ach, es wäre zuviel erhofft, fürchte ich.«
    »Hast du die allzu großzügigen Verträge bei dir, o edler Cicero?«
    »Hier sind sie.«
    Aurelius, völlig ratlos und im Gefühl, an einem Abgrund zu stehen, nahm die Rahmen aus weiteren Fensteröffnungen. Das Klirren von Metall war lauter geworden; es schien von der anderen Seite des Hauses zu kommen, vom Weg zur Straße her. Sasila tauchte vor dem Fenster auf, das er eben geöffnet hatte; ihr Gesicht

Weitere Kostenlose Bücher