Cäsar
also nutze sie.« Der Dichter hatte sich das Gesicht mit einem Schleier verhängt und schleppte sein karges Gepäck zu einem Karren, den Aurelius ihm anwies.
»Guter Rat von dir, und billig dazu. Warum willst du nicht gesehen werden?«
»Volturcius kennt mich von früher. Ich will verschollen bleiben. Nimmst du mich mit? Nach Rom? Oder wohin immer du gehst?«
Aurelius seufzte. »Wohin sonst? Ich muß doch Geld bei Tiro abholen. Falls ich es kriege. Hast du eine Ahnung, was die hier machen wollen?«
»Das ist doch ganz einfach.« Der Dichter lachte halblaut.
»Sie wollen, daß du Caesar beaufsichtigst. Irgendwann werden sie dir befehlen, ihn zu vergiften oder zu erwürgen. Was auch immer. Und mit diesen Gebäuden hier haben sie einen guten Platz für ihre Totschläger gekauft. Milos Gladiatoren. Die können von hier notfalls schnell die anderen in Rom verstärken, die näheren Städte wie Tusculum überwachen und die großen Straßen unsicher machen. Und Milo, Volturcius, Cicero und die anderen können sich hier unauffällig treffen und besprechen. Nicht in Rom, wo jeder alles sieht und weitersagt, auch nicht in einem der Landhäuser. Du mußt zugeben, es ist ein guter Plan.«
Aurelius spuckte aus. »Ein Scheißplan, wenn du‘s genau wissen willst.«
Man ließ sie wirklich nicht viel mitnehmen; nahezu aller zum Betrieb des Contubernium nötige Hausrat sollte dableiben. Immerhin konnten sie Karren und Ochsen nehmen, dazu ein wenig Geschirr und Vorräte. Zunächst würden sie nach Tusculum fahren, um Schulden zu begleichen und einzutreiben, sich von Freunden und Zulieferern zu verabschieden und den zensorischen Schreibern mitzuteilen, daß diese sie nicht mehr in den tusculanischen Listen führen sollten. Danach - Beratungen und Trennung.
Sasila wollte ein paar Hühner mitnehmen, aber nicht einmal das ließen Volturcius und seine Leute zu. »Keine Sorge«, sagte einer der Gladiatoren, »um die Hühner und die anderen Tiere werden wir uns kümmern. Gründlich.« Er bleckte verfärbte Zähne und rieb sich den Bauch.
Es war ein eher erbärmlicher Trost für Aurelius, daß man ihn wenigstens nicht daran hinderte, seine Bücher und Rollen mitzunehmen: den geliebten Aristoteles, den unvergleichlichen Aristophanes, die Gedichte von Philodemos und Catullus und ein paar Dutzend mehr. Offenbar hatten Volturcius und vor allem die Gladiatoren ausreichend Bildung verinnerlicht, um auf diese Beigaben verzichten zu können.
Sie waren noch beim Beladen der Karren, als von der Straße her eine Sänfte näher kam, getragen von vier stämmigen hellhäutigen Sklaven: Germanen vielleicht oder Gallier. Volturcius, der eben einen Blick auf die Decken und Reisebeutel geworfen hatte, klatschte in die Hände.
»Immer herbei, o Göttliche«, rief er. »Nun können wir sagen, der Tag habe wahrlich begonnen.«
Der Sänfte entstieg die schönste Frau, die Aurelius je gesehen hatte. Sie konnte nicht viel älter als zwanzig sein und bewegte sich wie eine Nymphe, eine Dryade, mit der Anmut eines fleischgewordenen Weidengeistes. Unter dem Umhang, den sie gegen die Kälte enger um die Schultern zog, war nicht viel mehr zu sehen als eine wirre Vielfalt schwarzen Kräuselhaars und das Gesicht, dessen Haut aus frisch gepreßtem Öl und Sahne gemischt zu sein schien. Die Augen - nie hatte er solche Augen gesehen. Zwei Nächte, schwarz und voller Sterne, voll glitzernder Punkte. Steppennächte, Wüstennächte, Nächte auf dem offenen Meer. Einen Atemzug lang - aber er vergaß zu atmen - stand er wie betäubt da, als er in diese Augen schaute. Und er bildete sich ein, auch die Frau wäre für die Dauer eines Lidschlags erstarrt.
Dann hörte er die angerauhte, warme Stimme, in der er so etwas wie Mitgefühl spürte, als sie sagte: »Sag, Volturcius, hast du wieder eines deiner Geschäfte gemacht?«
»Ohne solche Geschäfte könnte ich mir dich doch nicht leisten. Komm, gehen wir hinein.«
Im Eingang drehte sie sich noch einmal um, und Aurelius glaubte, abermals die Sterne zu sehen. Die für ihn leuchteten. Dann sagte er sich, daß ihn nach der Mühsal des Morgens der Wahnsinn gepackt haben mußte. Als er sich wieder den anderen und den Karren zuwandte, bemerkte er, daß Sasila mit aufgerissenen Augen zum Eingang schaute. Über ihre Wangen rannen Tränen. »O so schön!« seufzte sie.
Er räusperte sich. »Sehen wir zu, daß wir fertig werden.«
Es war eine undurchsichtige Trennung im Nebel, innen wie außen. Aurelius fühlte sich
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