Cäsars Druide
und die Heimreise nach Massilia gewesen sei. Nur ein Gedanke habe ihm die Kraft gegeben, durchzuhalten. Der Gedanke an Rache!
»Ich will Wanda sehen!« sagte ich barsch. Kretos warf mit dem Ei nach mir und brüllte, ich hätte nicht zu sprechen, wenn ich nicht dazu aufgefordert worden wäre, und im übrigen solle ich jetzt diesen Sud brauen und die Schnauze halten.
Ich braute den Sud wie mir befohlen. Ich fügte allerdings noch mehr von jenen Kräutern hinzu, die Schatten werfen. Sie werfen Schatten über das, was ist, und geben frei, was nicht ist, und dann leuchten sie wie tausend Sonnen, erfreuen das Herz und bringen einen den Göttern nahe. Hat man einige Male davon genossen, hört man immer öfter den Ruf der Götter, es erneut zu versuchen. Es sind jene Kräuter, die auch den Blick in die Zukunft öffnen und manchen Druiden zu ihrem Sklaven gemacht haben. Denn was die Kräuter sichtbar machen ist stets schöner als das, was ist. Ich braute den Sud und kehrte auf das Weingut an der Küste zurück.
Am nächsten Tag erschien Kretos mit großem Gefolge auf dem Weingut. Ich war nicht wirklich überrascht. Kretos entließ den bisherigen Gutsverwalter und übertrug mir alle seine Aufgaben. Er ließ Räume für sich herrichten. Gegen Abend bat er erneut um die göttlichen Tränen, wie er meinen Sud gegen Zahnschmerzen mittlerweile nannte. Ich forderte ihn auf, dafür zu bezahlen. Wie sollte ich sonst jemals die vierhunderttausend Sesterzen für meine Freilassung aufbringen? Wütend schmiß mir Kretos einen Silberdenar vor die Füße. Obwohl ich sein Sklave war, erwartete er von mir, daß ich ihm die Zuneigung und Großzügigkeit eines Freigelassenen entgegenbrachte!
Die Tage verbrachte Kretos meist in einem der zahlreichen Gärten, die vom übrigen Gut durch hohe weiße Mauern abgegrenzt sind. Jeden Abend, kurz vor Sonnenuntergang, ließ er mich rufen. Es fiel mir auf, daß er weniger aß und sich nicht mehr viel bewegte. Selbst den Bart und das Haar ließ er sich nicht mehr stutzen. Er sprach immer öfter von Dingen, die ihm früher fremd gewesen waren.
»Was meinst du, Druide, wird unser Schicksal vom Lauf der göttlichen Gestirne beeinflußt?«
»Ich weiß nicht, Kretos. Ich denke, wenn du mir morgen die Freiheit schenken willst, so steht dies durchaus in deiner ganz persönlichen Macht.«
Kretos lächelte. Auch der Umgang mit seinen Sklaven hatte sich gewandelt. Er war freundlich und sanft. Immer öfter suchte er abends das Gespräch mit mir. Er lag dabei in seinem Garten und ließ sich vom Flötenspiel einer jungen griechischen Sklavin verzaubern. Er liebte plötzlich die Musik und schätzte es mit der Zeit, auch schon den Morgen mit den ›Tränen der Götter‹ zu beginnen und vormittags im Garten dem Flöten- oder Harfenspiel zu lauschen. Manchmal mußten ihn seine Sklaven mit den Flötenspielern auf das Meer hinausfahren, wo er dann in einer skurrilen Zeremonie meinen Sud trank. Eines Nachts gestand mir Kretos, daß er den Göttern nah sei, daß er immer öfter ihre Nähe spüre und daß ihn das Irdische langweile.
»Wie kann ein Mensch bloß sein ganzes irdisches Leben damit verbringen, den Sesterzen hinterherzujagen?«
Ich pflichtete ihm bei. Für einen Menschen, der vierhunderttausend Sesterzen für seine Freilassung aufbringen mußte, war das natürlich pure Heuchelei. Ich weiß nicht, was in Kretos vorging, aber plötzlich umarmte er mich und sagte, wir sollten unsere Fehde begraben und Freunde werden.
»Ja, Kretos«, pflichtete ich ihm bei, »das sollten wir tun. Und ich will dir ewig dienen, wie ein Sklave. Aber als freier Mann.«
Kretos antwortete nicht. Vielleicht hatte er Angst, mich zu verlieren. Auf jeden Fall verzehnfachte ich den Preis für den Sud. Wütend griff er nach einem Apfel, aber er warf weit daneben. Der Sud hatte Kretos' Augen ermüdet. Jedes Auge schaute in eine andere Richtung. Ich weiß nicht, ob sich Kretos wirklich bewußt war, was mit ihm geschah. Ich hob den Apfel auf und warf ihn zielsicher in die Früchteschale zurück. Dann wiederholte ich meine Forderung. Ich sagte ihm kühl ins Gesicht, ich sei Geschäftsmann. Das habe ich in Genava gelernt, von einem Händler, der angeblich ein Freund meines Onkel Celtillus gewesen sei.
Im Frühling des nächsten Jahres erfuhren wir von Händlern, daß Cäsar sich immer noch weigerte, sein Heer zu entlassen. Die Situation hatte sich dramatisch zugespitzt. Rom oder Cäsar. Schließlich überschritt Cäsar mit seiner Armee den
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