Cäsars Druide
Rubico und machte sich damit endgültig zum Gesetzlosen. Kein Feldherr durfte mit seiner Armee diesen Fluß überschreiten. Dieser Akt galt als Bedrohung der Hauptstadt. So gering war das Vertrauen der Römer in ihre Feldherren. Cäsar setzte wie immer alles auf eine Karte. Tod oder Sieg. Rom scharte sich um Pompeius. Der Bürgerkrieg war ausgebrochen.
Wir in Massilia waren davon nicht betroffen. Wir setzten ohnehin auf Pomepeius. Nicht von ungefähr hatte Massilia in den letzten zehn Jahren jedem Cäsar-Gegner bereitwillig Asyl gewährt. Ich verdiente Geld mit meinem Sud und führte Kretos' Geschäfte gewissenhaft weiter. Auf dem Hof hatte ich mittlerweile ein paar Freundschaften geschlossen, mit Verwaltungsbeamten, die mir unterstellt waren, aber auch mit Arbeitern und Sklavinnen. Man war nett zueinander, sprach über belangloses Zeug und legte sich dann schlafen. Manchmal schlief eine Sklavin bei mir. Mir wäre Kretos' Schreibkanzlei in der Stadt lieber gewesen. Allein wegen dieser genialen Mittelmeerkarte. Es gab in Massilia bestimmt nicht viele Bürger, die so was besaßen.
Mit Kretos wurde es allmählich schwierig. Er hatte kaum noch Lust, geschäftliche Angelegenheiten zu regeln, Entscheidungen zu treffen. Man mußte stets den richtigen Zeitpunkt für ein Gespräch erwischen. Er schwelgte nur noch in abstrusen Phantasien. Eines Nachts ließ er mich aus dem Bett holen. Es ging ihm nicht gut. Er schimpfte, daß mein Sud allmählich die Wirkung verlor. Ich sollte ihm einen stärkeren Sud brauen.
Ich war übel gelaunt, weil ich von Wanda geträumt hatte. Ohne lange nachzudenken reichte ich Kretos eine Schale Wasser und sprach: »Ich habe dir einmal versprochen, dein Diener zu sein, Kretos. Aber als freier Mann. Aus freien Stücken! Der nächste Sud kostet vierhunderttausend Sesterzen und die Freiheit!«
Kretos trank einen Schluck und spukte ihn angeekelt aus.
»Das ist ja Wasser! Du Betrüger!«
Er war wütend und drohte mit der Peitsche.
»Laß mich doch töten, Kretos«, spottete ich. »Wir Kelten fürchten den Tod nicht. Aber du, Kretos, du wirst die Zeit ohne deinen Druiden fürchten! Das ist ein Versprechen der Götter!«
Kretos brüllte, ich solle ihm nicht mehr unter die Augen kommen. Morgen würde er mich öffentlich auspeitschen lassen. Doch bereits bei Tagesanbruch ließ er mich erneut rufen. Er weinte und zitterte am ganzen Leib. Kalte Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Er fror. Er sagte, er brauche dringend seinen Sud.
»Ich weiß, Kretos! Du hast die Nähe der göttlichen Sonne gespürt! Ohne sie wirst du erfrieren. Und ich bin der einzige Mensch, der dir helfen kann! Aber befreie mich, wenn ich dich von deinen Qualen befreien soll! Wenn du darauf bestehst, daß ich weiterhin dein Sklave bin, dann sollst auch du von heute an mein Sklave sein, Kretos! Den Sud gegen die Freiheit!«
»Du sollst frei sein«, flüsterte Kretos, »aber laß mich nicht im Stich!«
Ich schickte sofort Boten los und veranlaßte, daß Milo und der Richter am nächsten Tag bei uns eintrafen. Ich war es längst gewohnt, den Gutshof nach eigenem Gutdünken zu führen. Und nicht mal zum Nachteil Kretos'. Obwohl ich immer noch ein Sklave war, hatte mich die Belegschaft de facto als Herrn der Weinberge längst akzeptiert.
Kretos ging das plötzlich alles viel zu schnell. Er fühlte sich übergangen. Ich ließ ihn erneut zappeln. Ich hatte einen Vertrag aufgesetzt, in dem er mir nicht nur die Freiheit schenkte, sondern mich auch an seinen Unternehmungen beteiligte. Wir waren schließlich Partner, und jeder sollte im Todesfall den anderen beerben. Das ging Kretos entschieden zu weit.
»Du kannst darüber denken, was du willst«, sagte ich ihm, »wichtig ist nur, daß du unterschreibst.«
»Du hast dich verändert«, flüsterte Kretos. »Ich weiß noch, daß du als kleiner Junge …«
»Ich bin Geschäftsmann geworden, Kretos! Ich habe von dir gelernt. Hier mußt du unterschreiben.«
Kretos zögerte. Vielleicht ahnte er, daß es die letzte Möglichkeit war, die Zügel wieder in die Hand zu kriegen. Aber da er seit sechs Stunden keinen Sud mehr getrunken hatte, war die Bestie in ihm wieder wach geworden. Er zitterte wie ein Kind im Fieberrausch. Seine Bewegungen waren fahrig. Wie ein sterbendes Tier irrte er durch seinen Garten und verfluchte den Tag, an dem er diesen raurikischen Hof aufgesucht hatte. Schließlich kam er ins Haus zurück und unterschrieb die Freilassungsurkunde. Darauf reichte ich ihm den Sud und
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