Cäsars Druide
getötet, dessen Heer geschlagen und die Überlebenden unter dem Joch hindurchgetrieben haben. Wir können deshalb nicht glauben, daß ein Volk von derart feindseliger und gewalttätiger Gesinnung unsere Provinz durchqueren würde, ohne Schaden anzurichten.
Aus all diesen Gründen und auch nach Brauch und Herkommen des römischen Volkes ist es Rom nicht möglich, euch den Durchzug durch unsere Provinz zu gestatten. Solltet ihr jedoch versuchen, gewaltsam in die römische Provinz einzudringen, so werden wir euch erfolgreich zurückschlagen. Nehmt euch also in acht vor dem römischen Adler! Wenn ihr ihn reizt, wird er nicht eher ruhen, bis er euch der gerechten Strafe zugeführt hat. Rom hat gesprochen.«
Cäsar wartete, bis ich den letzten Satz übersetzt hatte. Dann streckte er das blasse, spitze Kinn keck nach vorne und schaute Nammejus direkt ins Gesicht. Sein ganzer Auftritt war eine einzige Herausforderung. Er brauchte dringend einen Krieg! Nur deshalb erwähnte er diese alte Geschichte. Damit er nochmals öffentlich kundtun konnte, wie gefährlich die Helvetier waren. Er wußte ganz genau, daß die damaligen Vorkommnisse nicht annähernd mit der heutigen Situation vergleichbar waren. Aber das spielte keine Rolle. Es ging ihm lediglich darum, seine eigennützigen Pläne als Verteidigung Roms zu verkaufen.
»Wir werden die Grenzen der römischen Provinz achten und einen anderen Weg einschlagen«, antwortete Nammejus.
Cäsar schien enttäuscht. Für einen Augenblick wirkte er hilflos wie ein Faustkämpfer, der allein in der Arena steht. Doch gleich hatte er sich wieder gefaßt. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er schwieg.
Verärgert rissen die keltischen Fürsten ihre Pferde herum und ritten den Weg, den sie gekommen waren, wieder zurück. Mich ließen sie allein inmitten dieser Adler und blutroten Schilde.
In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen. Immer wieder kamen mir Dinge in den Sinn, die ich der keltischen Delegation vielleicht noch hätte sagen sollen. Sicher, das Wichtigste hatte ich ihnen mitgeteilt. Aber ich hätte ihnen mehr über Cäsar erzählen müssen, damit sie begriffen, was das für ein Gegner war, der ihnen am anderen Ufer gegenüberstand. Natürlich war die römische Innenpolitik kein Buch mit sieben Siegeln, aber ich hätte mehr sagen können. Ich hatte seine Augen gesehen.
Wanda, die meine Unruhe bemerkte, machte den Vorschlag, zum Fluß hinunterzugehen.
»Ich denke nicht, daß du dir Vorwürfe machen mußt, Herr«, beruhigte sie mich, als wir uns am Ufer niederließen, »die keltischen Fürsten wissen sehr genau, daß Cäsar sie nur hingehalten hat, um sich zusätzliche Legionen zu beschaffen.«
Ich nickte und streichelte nachdenklich Lucias Rücken. Sie hatte sich zwischen uns gedrängt. Offenbar hatte sie die Eifersucht entdeckt.
Auch im Lager der Helvetier wollte keine Ruhe einkehren. Einzelne junge Krieger standen nackt am Ufer und beschimpften die Römer. Manchmal sprang einer ins Wasser und schwamm herüber. Doch spätestens in der Mitte des Flusses surrte ein Pfeilhagel auf ihn hernieder und durchbohrte ihn. Immer mehr Leichen trieben auf dem Wasser. Die römischen Wachposten auf dem Damm konnten überhaupt nicht verstehen, wieso diese jungen Kelten so achtlos ihr Leben wegschmissen.
»Korisios«, flüsterte Wanda; immer wenn sie meinen Namen aussprach und nicht dieses förmliche Herr benutzte, wußte ich, daß sie sich der Liebe hingeben wollte. Und sie nannte mich fast nur noch Korisios.
In den frühen Morgenstunden wurden am anderen Ufer Flöße ins Wasser gelassen, die einige Kelten in der Nacht gebaut hatten. Geschützt von einer Schildewand versuchten diese nun über den Fluß zu setzen. Sie waren erfolgreicher als die nackten Schwimmer, doch kaum waren sie bis auf einen Steinwurf an das andere Ufer herangelangt, hagelten die römischen Geschosse auf die Flöße. Einige Kelten warfen, kaum hatten sie die Flußmitte erreicht, die Schildewand ins Wasser und präsentierten sich nackt den römischen Legionären. Sie prahlten mit ihrem Geschlecht, trommelten sich mit den Fäusten auf die Brust und lobten die mutigen Taten ihrer Vorfahren. Die meisten wurden von kretischen Pfeilen durchbohrt. Wer das Ufer erreichte, wurde von Pilen niedergestreckt. Die Römer, die kaum ein Wort von all diesen Beschimpfungen verstanden, mußten den Eindruck haben, wilden Tieren gegenüberzustehen.
»Wieso sind sie nackt?« fragte eine Stimme.
Ich hatte Aulus Hirtius nicht kommen
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