Cäsars Druide
plauderten tagelang, und wir ahnten nicht, daß zur gleichen Zeit bereits keltische Reiter unterwegs waren, um den Häduerfürsten Dumnorix um Vermittlung zu bitten. Er sollte die Sequaner dazu überreden, den Helvetiern den Marsch durch ihr Gebiet zu gestatten. Dumnorix war ein erklärter Gegner Roms und im Gegensatz zu seinem prorömisch gesinnten Bruder, dem Druiden Diviciatus, sowohl bei seinem eigenen Volk als auch bei den Sequanern und Helvetiern äußerst beliebt. Die Bande zu den Helvetiern waren besonders eng, seit Dumnorix die Tochter des getöteten Helvetierfürsten Orgetorix zur Frau genommen hatte. Also die Tochter jenes Orgetorix, der den Auszug der Helvetier initiiert und geplant hatte, aber wegen seines Strebens nach der Königswürde zum Selbstmord gezwungen worden war. Diese miteinander verfeindeten, ewig kämpfenden und streitenden keltischen Sippen, das war Galliens Achillesferse. Wir waren kein zentral organisiertes und befehligtes Imperium, sondern kleine Häppchen, die man einzeln problemlos verspeisen konnte. Doch im Augenblick hatte Divico die Zügel noch fest in der Hand.
Bereits einige Tage später meldeten keltische Häduer, die sich bei der römischen Legion einschmeicheln wollten, daß die Sequaner und Helvetier sich gegenseitig Geiseln stellten, um die friedliche Durchquerung zu garantieren.
Eines Morgens sagte Wanda, daß Kretos wieder im Lager der Händler sei. Ich wollte es hinter mich bringen und suchte ihn gleich auf. Wanda begleitete mich. Kretos empfing uns freundlich wie immer. Ich hoffte schon, er würde mir aus reiner Freundschaft all meine Schulden erlassen. Er nahm eine Papyrusrolle vom Tisch und hielt sie in die Höhe.
»Korisios«, scherzte er, »ich freue mich, daß du mir nicht in die Anderswelt entwischt bist! Ich habe dich mehrmals besucht, weißt du …«
»Ja, ich weiß … Aber wegen deinen Sklaven tut es mir leid …«
»Was machen wir jetzt?« fragte Kretos, während er sich mit der Papyrusrolle auf die offene linke Hand klopfte. Ich wußte genau, daß er sich etwas überlegt hatte. Ich setzte mich auf ein Liegesofa und kraulte Lucia, die zu mir hochgesprungen war. Wanda stand wie eine Statue in der Ecke und wartete gespannt auf Kretos' Vorschlag. Sie wußte ganz genau, daß in dieser Stunde über ihr Schicksal entschieden wurde.
»Den Wein hast du bezahlt, Korisios, aber meine beiden Sklaven hast du mir nicht mehr zurückgebracht.« Kretos grinste. Es schien ihm nichts auszumachen. Im Gegenteil. Das Unglück seiner beiden Sklaven betrachtete er eher als Geschäft. Er würde mich auf keinen Fall ungeschoren davonkommen lassen. Ich leerte meinen Beutel, in dem die keltischen, schüsselförmigen Goldmünzen waren, die ich noch nicht in Sesterzen umgetauscht hatte, auf dem Tisch aus.
»Das ist alles, was mir geblieben ist, Kretos. Du weißt, daß es mir leid tut wegen deiner Sklaven. Aber es war nicht meine Absicht. Ich habe sie nicht ausgeliehen, um Geschäfte zu machen. Ich wollte mein Volk warnen. Und wenn mir die Götter nicht dieses linke Bein gegeben hätten, hätte ich bestimmt keine Begleitung gebraucht.«
»Du hast völlig recht«, entgegnete Kretos, »ich habe Verständnis dafür. Du verdienst meine Achtung und mein Mitgefühl, doch wir haben einen Vertrag, junger Mann. Wozu sollen Verträge gut sein, wenn man sie nicht einhält?«
Ich verstand Kretos' Verhalten wirklich nicht. Hatte er mich nicht wie einen guten Freund in die Arme geschlossen, als wir uns hier zum ersten Mal wieder getroffen hatten? Und war er nicht ein Freund meines Onkel Celtillus gewesen? Hatte er nicht sogar behauptet, mich wie seinen eigenen Sohn zu lieben? Langsam, aber sicher hatte ich den Eindruck, daß es mit meiner Menschenkenntnis nicht allzuweit her war.
»Was schlägst du vor, Kretos? Es tut mir sehr leid …«
»Mir tut es für dich leid, Korisios, denn gemäß unserem Vertrag schuldest du mir jetzt achtzehnhundert Sesterzen.«
»Achtzehnhundert Sesterzen! Woher soll ich das Geld nehmen?«
»Du kannst doch nicht Verträge unterzeichnen, die du im schlimmstmöglichen Fall nicht einhalten kannst. Das sind die Gesetze des Handels. Das sind auch die Risiken des Handels. Wenn alle Handelsgeschäfte Geld bringen würden – jeder Freigelassene würde Handel treiben.«
»Aber was machen wir jetzt, Kretos? Ich hab keine achtzehnhundert Sesterzen! Diese Goldmünzen sind alles, was mir geblieben ist. Das meiste habe ich auf der Reise nach Genava verloren. In einem
Weitere Kostenlose Bücher