Cäsars Druide
Junge meinen Vater auf seinen Reisen begleitet. Er war Sklave, aber sein Herr vertraute ihm. Und er hat mich gelehrt, wie man vermeidet, ein loderndes Feuer zu schüren, und wie man aus jeder Situation geschäftlichen Nutzen ziehen kann.«
»Das Geschenkangebot, das du Silvanus zum Abschluß gemacht hast, hätte dich bei einem Kelten den Kopf gekostet. Jeder Kelte hätte dies als Beleidigung empfunden.«
»Ein Kelte vielleicht, aber kein keltischer Händler. Die meisten Menschen sind käuflich und empfinden es nicht als Schande, ein Geschenk als Bestechung anzunehmen. Die Freude über das Geschenk ist größer als die Scham.«
Ich war beeindruckt. Bisher hatte ich Niger Fabius lediglich als herzensguten Orientalen kennengelernt. Aber die Berührung mit den Kulturen rund ums Mittelmeer hatte seinen Horizont erweitert und seinen Verstand geschärft.
»Sag mir, Niger Fabius, wieso gelten die Araber als schlüpfrige Fische?«
Niger Fabius lächelte breit. »Wenn du die Mentalität unseres Volkes verstehen willst, reicht es nicht, das Kamel mit dem Pferd zu vergleichen?« Niger Fabius wartete geduldig auf ein Zeichen, daß ich seinen Vergleich verstanden hatte, und fuhr dann fort: »Die Nomadenvölker in den arabischen Wüsten haben den Ruf, täglich ihre Meinungen und Bündnisse zu wechseln. Das mag für einen Griechen oder Römer den Anschein der Unzuverlässigkeit haben. Aber sie vergessen dabei, daß für einen Nomaden eine geäußerte Meinung nichts Endgültiges und auch ein Bündnis nicht für die Ewigkeit gedacht ist. Deshalb messen wir Meinungen und Bündnissen keine besondere Bedeutung bei, da beide Seiten wissen, daß sie jederzeit geändert werden können. Somit ist für uns die Änderung einer Meinung oder die Aufkündigung eines Bündnisses nichts Gravierendes. Andere Völker, die einem Bündnis eine beinahe sakrale Bedeutung geben, haben natürlich Mühe, mit uns Verträge zu schließen. Aber wie ich schon sagte, sie vergleichen Kamele mit Pferden.«
Niger Fabius bat die Sklaven, frisches Wasser zu bringen, damit wir uns vor dem abschließenden letzten Gang die Hände waschen konnten. Er erzählte noch viel über die wilden Reiterstämme im Osten, über die nomadisierenden Fürstenstämme in der arabischen Wüste, und allmählich begriffen Wanda und ich, daß Nomaden, die ihr Leben lang durch die Wüste ziehen, eine ganz andere Beziehung zum Endgültigen haben als ein Volk, das in Steinhäusern lebt und kaum Wechseln unterworfen ist. Niger Fabius war ein großartiger Erzähler, und es faszinierte mich, Vergleiche zwischen den einzelnen Kulturen und Mentalitäten anzustellen, herauszufinden, wie die verschiedenen Sitten entstehen und wieso sie manchmal derart gegensätzlich sind, daß die Menschen glauben, sie nur mit Gewalt überwinden zu können.
Wenig später besuchte ich Kretos, um die Sache mit den beiden Sklaven zu bereinigen. Es war sinnlos, die Geschichte noch länger vor mir herzuschieben. So löst man keine Probleme. Doch Kretos war nicht da. Es hieß, er sei unterwegs und würde erst in ein paar Tagen wieder zurückkommen. Als ich einen seiner Freigelassenen fragte, ob Kretos sehr wütend gewesen sei, grinste er anzüglich und wünschte mir viel Vergnügen für meine letzten Tage in Freiheit …
Als die keltische Delegation das andere Ufer erreichte, stellte sie fest, daß sich in den vergangenen acht Tagen eine ganze Menge verändert hatte. Das römische Ufer war mit einem Wall befestigt und gegen Norden durch Gräben abgesichert worden. Den Weg ins Heerlager säumten kampfbereite Legionäre mit blankgeputzten Rüstungen und Waffen. Es war kein triumphaler Empfang. Nirgends blies ein Cornu oder eine Tuba. Selbst die herrenlosen Hunde, die man in der Nähe von menschlichen Siedlungen immer irgendwo knurren oder bellen hörte, schienen verstummt. Diese Stille hatte etwas Gefährliches, Bedrohliches. Nur das gedämpfte Aufschlagen der Hufe auf der weichen Erde war zu hören.
Ich wartete hoch zu Roß vor dem Heerlager, gemeinsam mit den jungen Tribunen, Praefekten, Cäsars Prätorianergarde und Silvanus auf das Eintreffen der keltischen Delegation. Cäsar hatte verboten, die Delegation ins Lager zu lassen. Ich sollte die Abgesandten begrüßen und um Geduld bitten. Cäsar würde jeden Augenblick eintreffen.
Nammejus und Verucloetius nahmen Cäsars Beleidigung ohne Gefühlsregung zur Kenntnis. Stolz und furchtlos saßen sie aufrecht auf ihren reichgeschmückten Pferden. Als dicke graue
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