Calendar Girl
Arbeitgebers, nichts weiter. Ich bin hier, um seine Bibliothek zu begutachten.«
»Oh, Bücher«, sagte der Taxifahrer und pfiff wieder durch die Zähne. »Ja, Bücher gibt es dort im Haus. Der Junge meiner Cousine arbeitet hin und wieder für den Grafen, und er hat es erzählt. Viele alte Bücher. Sie stinken.« Er hielt sich illustrierend die Nase zu.
Flannery schenkte ihm einen, wie sie hoffte, vernichtenden Blick. Das Taxi bog von der Uferstraße ab und nahm den Weg zu einem erhöht gelegenen Anwesen. Flannery beugte sich vor und starrte neugierig aus dem Fenster. Das Haus lag versteckt zwischen Pinien, Zypressen und Oleanderbüschen, sodass es von der Straße aus kaum zu sehen gewesen war. Jetzt aber tauchte es langsam aus dem umgebenden Grün auf: ein verschachtelter, zweigeschossiger Bau aus ockerfarbenem Stein mit vielen Fenstern, wahrscheinlich aus dem frühen 19. Jahrhundert.
»Palazzo della Gherardesca«, sagte der Taxifahrer überflüssigerweise. »Soll ich Sie vor dem Portal rauslassen?«
»Bitte«, antwortete Flannery. Was erwartete der Kerl - dass sie den Dienstboteneingang nahm?
***
Alessandro della Gherardesca stand am Fenster seines Arbeitszimmers und blickte hinaus auf die gekieste Einfahrt und den angrenzenden Park. Heute war einer dieser Tage, an denen er sich fühlte wie ein alter Mann, an dem das Leben nur noch wie hinter einer dicken Trennscheibe aus Milchglas vorbeizog. Überdrüssig. Voller Schuld und mit Ekel vor der Welt, den Menschen und seinem eigenen Selbst erfüllt.
Er blickte mit einem angewiderten Knurren auf den Brief in seiner Hand. Den liebevoll-drängenden Tonfall, in dem er verfasst worden war, ertrug er nur mit Mühe. Gloria bat ihn darin inständig, sich aus seiner selbst auferlegten Einsiedelei wieder unter Menschen zu begeben. Seine Freunde würden ihn von Herzen vermissen. Er möge sich doch nicht so vergraben. Er solle dies, sie wünsche das, er könne jenes, sie würde dieses ... Fazit: Er solle gefälligst in zwei Wochen zu ihrer Gesellschaft erscheinen.
Er glättete den Brief, den er in der Faust zerknüllt hatte, und wollte ihn zu den anderen auf seinem Schreibtisch legen, als ein vorfahrendes Taxi seine Aufmerksamkeit erregte. Alessandro lehnte sich ans Fenster und blickte hinaus, gegen seinen Willen von Neugier erfüllt. Das musste der von Bardsley avisierte Experte sein. Hoffentlich war der Mann ein ruhiger, maulfauler Bücherwurm, der sich in der Bibliothek aufhielt und ihm ansonsten nicht durch seine Anwesenheit auf die Nerven fiel.
Der Taxifahrer öffnete die Tür des Fonds und bot seinem Passagier die Hand zur Hilfe. Alessandro runzelte die Stirn. Ein älterer Mann?
Dann streckte sich ein langes, wohlgeformtes Bein aus dem Wagen, ein zweites folgte, endlich entfaltete sich in voller Größe ein Wesen in zerknittertem grauen Businesskostüm und heller Bluse, unter der sich ein Paar unbestreitbar prachtvoller Brüste wölbten.
Alessandro prallte zurück und hob die Hand zum Fenster, als wolle er die Erscheinung wieder ins Auto zurückbefehlen. Eine Frau? Bardsley hatte es gewagt, ihm eine Frau unterzujubeln? Noch dazu eine solch raumfüllende, große, prachtvoll gebaute ... graue Maus.
Er ertappte sich dabei, die Frau, die geduldig darauf wartete, dass der Fahrer ihr Gepäck aus dem Kofferraum holte, zu taxieren wie ein Auktionator ein zum Kauf gebotenes Pferd. Sie war groß, eher kräftig als schlank, hatte kastanienrotes Haar, das in einen nüchternen Knoten gesteckt war, und einen hellen Teint. Ihr Gesicht versteckte sie hinter einer getönten Brille und ihre kurvenreiche Figur in einem streng geschnittenen Kostüm. Sie trug bequeme flache Schuhe und ganz gewiss praktische und vollkommen reizlose Unterwäsche. Im Prinzip war sie genau der gewünschte Bücherwurm - wenn er nur nicht als Frau verkleidet hier aufgelaufen wäre.
Sie blickte am Haus empor und er wich zurück, um ihrem Blick zu entgehen. Er ballte die Faust und legte sie gegen das kühle Fensterglas. Die Frau musste wieder abreisen. Unverzüglich.
Er wollte zum Telefon greifen, um Dawkins die Anweisung zu geben, sie gleich an der Tür abzufangen und wieder in ihr Taxi zu verfrachten, als das Klingeln seines Mobiltelefons ihn zögern ließ. Der Anruf, auf den er gewartet hatte. Wenn er ihn jetzt ignorierte, würde er morgen erneut hinter Ruggiero her telefonieren müssen ... Mit einem unterdrückten Fluch nahm er das Gespräch an.
***
Flannery stand vor den Stufen des Eingangs. Die
Weitere Kostenlose Bücher