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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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wissen?«
    »Aber wenn sie …«
    Es war, als hätte eine gewaltige Faust auf das Dach der Kabine geschlagen. Die Notbremsen sprachen mit markerschütterndem Kreischen an. Das Licht ging aus, zwei hektische Herzschläge lang herrschte Dunkelheit. Dann flammten vier von Batterien gespeiste LEDs auf und erloschen, als die Stromversorgung der Kabine wieder einsetzte. Die automatische Fehlerdiagnose lief ab, die Schnittstelle arbeitete sich durch Prüfsummen wie ein Hürdenläufer auf der Bahn. Prax stand auf und trat an die Kontrolltafel. Die Sensoren des Schachts meldeten einen minimalen atmosphärischen Druck, der weiter sank. Eine Erschütterung verriet ihm, dass irgendwo über ihm Schutztore zufielen. Dann stieg der Außendruck an. Die Luft im Schacht war in den Weltraum entwichen, ehe die Notsysteme alles abgesperrt hatten. Seine Kuppel hatte die Atmosphäre verloren.
    Seine Kuppel war zerstört.
    Er hielt sich die Hand vor den Mund und bemerkte kaum, dass er sich Erde auf das Kinn schmierte. Nervös dachte er an die Dinge, die er tun musste, um das Projekt zu retten – den Projektmanager bei RMD-Southern anrufen, die Anträge für die Zuschüsse neu ausfüllen, die Datenbackups besorgen, um die Genmanipulationen zu wiederholen. Unterdessen war ein anderer Teil in ihm gespenstisch ruhig und still. Das Gefühl der Spaltung – eine Seite dachte über verzweifelte Maßnahmen nach, die andere war betäubt vor Kummer – fühlte sich an wie die letzten Wochen seiner Ehe.
    Doris wandte sich an ihn und lächelte müde und amüsiert. Sie streckte die Hand aus.
    »Es war mir eine Freude, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, Dr. Meng.«
    Die Kabine ruckte, als sich die Notbremsen lösten. Weiter entfernt gab es einen neuen Einschlag. Ein Spiegel oder ein abgestürztes Schiff. Die Soldaten bombardierten einander auf der Oberfläche. Vielleicht waren auch schon tief im Innern der Station Kämpfe ausgebrochen. Man konnte es nicht wissen. Er schüttelte ihre Hand.
    »Dr. Bourne«, erwiderte er. »Es war mir eine Ehre.«
    Schweigend dachten sie über die Trümmer ihres alten Lebens nach. Doris seufzte.
    »Also gut«, sagte sie. »Dann machen wir, dass wir hier herauskommen.«
    Meis Vorschule befand sich tief unter der Oberfläche des Mondes, aber die Haltestelle der Röhrenbahn war nur ein paar Hundert Meter von der Ladestation der Karren entfernt, und die Fahrt mit dem Expressaufzug dauerte kaum mehr als zehn Minuten. So einfach wäre es jedenfalls gewesen, wenn die Verkehrsmittel funktioniert hätten. In den drei Jahrzehnten, die er auf Ganymed lebte, hatte Prax noch nie bemerkt, dass die Bahnstationen Sicherheitstüren besaßen.
    Die vier Soldaten, die vor der geschlossenen Station standen, trugen dicke gepanzerte Rüstungen mit sich verlagernden Tarnflecken im Beige und Stahlgrau des Korridors. Bewaffnet waren sie mit beängstigend großen Sturmgewehren. Finster starrten sie die Menge von einem Dutzend oder mehr Einwohnern an, die sich vor ihnen drängten.
    »Ich bin im Verkehrsausschuss«, behauptete eine große und schmale dunkelhaarige Frau. Bei jedem Wort tippte sie auf die Brustplatte eines Soldaten. »Wenn Sie uns nicht vorbeilassen, bekommen Sie Ärger. Großen Ärger.«
    »Wie lange bleibt die Station gesperrt?«, wollte ein Mann wissen. »Ich muss nach Hause. Wie lange dauert das hier noch?«
    »Meine Damen und Herren«, rief die Soldatin auf der linken Seite. Sie hatte eine kräftige Stimme und übertönte mühelos wie ein Lehrer, der unruhige Schulkinder ermahnte, das Getöse und Murmeln der Menge. »Dieser Wohnbereich wird aus Sicherheitsgründen vorübergehend abgeriegelt. Solange der Einsatz des Militärs andauert, darf nur offizielles Personal die Ebenen wechseln.«
    »Auf wessen Seite steht ihr überhaupt?«, rief jemand. »Seid ihr Marsianer? Auf wessen Seite steht ihr?«
    »In der Zwischenzeit«, fuhr die Soldatin fort, ohne auf die Frage einzugehen, »bitten wir Sie alle um Geduld. Sobald Sie gefahrlos reisen können, wird das Röhrenbahnsystem wieder in Betrieb genommen. Bis dahin müssen wir Sie bitten, zu Ihrer eigenen Sicherheit Ruhe zu bewahren.«
    Impulsiv schaltete sich auch Prax ein. Er fand, dass seine Stimme weinerlich klang.
    »Meine Tochter ist auf der achten Ebene. Sie geht da unten zur Schule.«
    »Alle Ebenen sind gesperrt, Sir«, erwiderte die Soldatin. »Ihr wird dort nichts passieren. Sie müssen einfach nur etwas Geduld haben.«
    Die dunkelhäutige Frau vom Verkehrsausschuss verschränkte die

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