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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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Verteidigungspositionen erreicht hatten, ertönten in ihrem Anzug kreischende Warnsignale. Die Anzeigen verschwanden, weil sie den Kontakt zum Satelliten verloren hatte. Auch die Vitalfunktionen und den Ausrüstungsstatus ihres Teams konnte sie nicht mehr überwachen, weil die Verbindung zwischen den Anzügen ebenfalls gestört war. Das leise Rauschen des offenen Funkkanals brach ab, und die Stille wurde noch unheimlicher, als sie schon war.
    Mit Handbewegungen dirigierte sie ihre Abteilung zur rechten Flanke und eilte zu Leutnant Givens, ihrem vorgesetzten Offizier. Sie bemerkte den Anzug des CO mitten in der Abwehrlinie, wo er fast direkt unter dem Yojimbo stand. Sobald sie ihn erreicht hatte, presste sie den Helm gegen seinen.
    »Was ist hier los, Leutnant?«, rief sie.
    Er sah sie gereizt an. »Das weiß ich so wenig wie Sie. Wir können ihnen nicht sagen, dass sie sich zurückziehen sollen, weil der Funk gestört ist, und visuelle Warnsignale ignorieren sie einfach. Vor dem Ausfall des Funks habe ich die Genehmigung erhalten, das Feuer zu eröffnen, wenn sie sich uns auf einen halben Kilometer angenähert haben.«
    Bobbie hatte noch zweihundert weitere Fragen, doch die UN-Truppen würden die Feuerlinie in wenigen Sekunden überschreiten. Also kehrte sie zu ihren Leuten zurück, um die rechte Flanke zu sichern. Unterwegs ließ sie ihren Anzug die anrückenden Gegner zählen und als feindlich markieren. Der Anzug meldete sieben Ziele. Weniger als ein Drittel der Besatzung im UN-Vorposten.
    Das ist doch völlig unsinnig.
    Sie wies den Anzug an, in fünfhundert Metern Entfernung eine Linie in das Display einzuzeichnen. Ihren Untergebenen erklärte sie nicht, dass dies die Grenze war, von der an sie das Feuer eröffnen sollten. Das war nicht nötig. Ihre Leute würden schießen, sobald sie es selbst tat, ohne nach dem Grund zu fragen.
    Die UN-Soldaten waren jetzt weniger als einen Kilometer entfernt, hatten ihrerseits aber noch keinen Schuss abgefeuert. Außerdem liefen sie nicht in Formation. Sechs kamen in einer unordentlichen Reihe vorneweg, der siebte folgte etwa siebzig Meter hinter ihnen. Ihr Helmdisplay wählte den Gegner auf der linken Seite als Ziel aus, weil er der nächste war. Doch irgendetwas störte sie, und sie überging die automatische Zielauswahl, visierte das hintere Ziel an und vergrößerte es.
    Die kleine Gestalt wuchs in der Zieloptik heran. Es lief ihr kalt den Rücken hinunter. Sie erhöhte die Vergrößerung abermals.
    Die Gestalt hinter den sechs UN-Marinesoldaten trug keinen Schutzanzug. Genau genommen handelte es sich auch nicht um einen Menschen. Die Haut war mit Chitinplatten bedeckt, die an große schwarze Schuppen erinnerten. Der Kopf war entsetzlich. Doppelt so groß wie normal und mit seltsamen Auswüchsen übersät.
    Das Schlimmste waren die Hände – viel zu groß für diesen Körper und im Vergleich zur Breite zu lang. Es waren Horrorhände aus dem Albtraum eines Kindes. Die Hände eines Trolls unter dem Bett oder die Klauen der Hexe, die durch das Fenster einsteigt. Sie spannten sich manisch, als wollten sie etwas Unsichtbares packen.
    Die Truppen der Erde griffen nicht an. Sie flohen.
    »Schießt auf das Wesen, das sie jagt«, rief Bobbie, obwohl niemand es hören konnte.
    Noch bevor die UN-Soldaten die fünfhundert Meter entfernte Feuerlinie erreichten, holte das Wesen sie ein.
    »Oh, verdammte Scheiße«, flüsterte Bobbie. »Oh, verdammt.«
    Es packte einen UN-Marinesoldaten mit den riesigen Händen und zerfetzte ihn wie ein Stück Papier. Die aus Titanium und Keramik konstruierte Rüstung riss ebenso leicht entzwei wie der Körper, der in ihr steckte. Ausrüstungsteile und feuchte menschliche Eingeweide flogen als wirrer Haufen auf das Eis. Die übrigen fünf Soldaten liefen noch schneller, doch das Ungeheuer wurde, wenn es tötete, nicht einmal merklich langsamer.
    »Schießt doch, schießt doch, schießt doch!«, schrie Bobbie, während sie das Feuer eröffnete. Ihre Ausbildung und die Technik ihres Kampfanzugs machten sie zu einer äußerst effizienten Tötungsmaschine. Sobald ihr Finger den Abzug der eingebauten Waffe berührte, jagte mit mehr als tausend Metern pro Sekunde ein Strom von zwei Millimeter großen, panzerbrechenden Geschossen auf das Wesen zu. Weniger als eine Sekunde später hatte sie bereits fünfzig Geschosse abgefeuert. Das Wesen war ein vergleichsweise langsames Ziel von annähernd menschlicher Größe, das zudem geradeaus lief. Der Zielcomputer

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