Caligula - Eine Biographie
seinem Herrschaftsantritt fünfzigjährig, hatte auch dazugelernt. Alle Besucher mußten Leibesvisitationen über sich ergehen lassen. Wenn der Kaiser kranken Senatoren die Ehre seines Besuches zuteil werden ließ, wurden die Gemächer vorher gründlichst überprüft, alle Decken und Kissen sorgfältig untersucht. Die Bedeutung der kaiserlichen Freigelassenen als zentralen Vertrauenspersonen wuchs weiter. Der Britannienfeldzug wurde erneut in Angriff genommen, diesmal mit Erfolg. Doch auch das half nichts. Im Gegensatz zu Caligula war unter Claudius die Verschwörung im Familienkreis – mit derselben Zentralfigur: Agrippina – Jahre später erfolgreich. Sie, von Claudius aus der Verbannung gerufen und später als Kaiserin in den Palast geholt, vergiftete ihren Gatten mit einem Pilzgericht, um ihrem Sohn Nero das Kaisertum zu sichern.
Und die Reaktion der Aristokratie auf Claudius? Seneca, der der «göttlichen Hand» des Kaisers zu danken pflegte, schrieb, kaum war jener ermordet, eine bitterböse Satire auf ihn, die allen aus dem Herzen sprach: Beschimpfte man Caligula, der den Versuch einer offenen Monarchie in Rom gewagt hatte, posthum als «Wahnsinnigen», so galt Claudius, der die Aristokratie zu schonen versucht hatte, nach seinem Tod als «Trottel».
Nachwort
«Verrückte Kaiser bringen seriöse Historiker in Verlegenheit,» formulierte seinerzeit treffend eine Fachkollegin (Catharine Edwards, The Classical Review 41, 1991, 407). Andererseits faszinieren sie in besonderer Weise ein breiteres historisch interessiertes Publikum – sichtbar am Erfolg «unseriöser» Darstellungen, historischer Romane oder spektakulärer Verfilmungen. Die hier vorgelegte Biographie des Caligula geht von dieser Sachlage aus und verfolgt zwei Ziele. Das kurze Leben dieses Kaisers wird in einer Form erzählt, die der Spannung und Dramatik der Ereignisse gerecht werden und für Leserinnen und Leser ohne Fachwissen verständlich sein will. Zugleich wird versucht, das historische Problem, das dieser Kaiser aufgibt, mit einer neuen Deutung zu lösen.
Der Erzählcharakter der Darstellung bedingt einen zweifachen Verzicht: Konkurrierende Thesen der modernen Forschung, der dieses Buch viel verdankt, werden nur ausnahmsweise diskutiert, und die eigene Theorie von Politik, Gesellschaft und patronalen Beziehungen der frühen Kaiserzeit, die der hier vorgelegten Interpretation zugrunde liegt, wird nicht systematisch ausgeführt. Statt dessen werden in den Anmerkungen die für die eigene Argumentation wichtigen Belege aus den antiken Quellen angeführt und im Literaturverzeichnis zentrale Beiträge der Forschung zusammengestellt. Beides soll dem Publikum (mit und ohne Fachwissen) die Möglichkeit des Nach- und Weiterlesens eröffnen.
Meine Thesen zu Caligula konnte ich erstmals mit Studierenden zweier Seminare an den Universitäten München und Bielefeld, dann im Rahmen von Vorträgen am Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen sowie an den Universitäten Basel, Bielefeld, Freiburg im Breisgau, Greifswald und Münster diskutieren. Kritik und weiterführende Hinweise habe ich mit Gewinn aufgenommen. Tanja Schaufuß, Katharina Stüdemann, Fabian Goldbeck, Bert Hildebrand und Dirk Schnurbusch warenmir bei den abschließenden Korrekturen eine große Hilfe. Stefan von der Lahr vom Beck Verlag hat die Entstehung des Manuskriptes durch sein Interesse gefördert und die Drucklegung kompetent betreut.
Freiburg im Breisgau, im Januar 2003
Aloys Winterling
Nachwort zur Neuausgabe
Diese Biographie des Kaisers Caligula ist von Publikum und Kritik sehr positiv aufgenommen worden, wovon neben mehreren deutschen Auflagen auch Übersetzungen ins Italienische, Niederländische, Spanische und Englische sowie ein vergleichsweise großes Echo in Presse, Rundfunk, Fernsehen und Fachzeitschriften zeugen. Dies war nicht selbstverständlich, denn die Aufgabe wohl jeder historischen Biographie – die Bedingungen der vergangenen Zeit und die Ereignisse des beschriebenen Lebens in ihrem Zusammenhang zu verdeutlichen – führt im Falle des Caligula in besondere Schwierigkeiten: Eine angemessene Deutung des Lebens dieses Kaisers erfordert nicht nur eine kritische Lektüre der vielfach denunziatorischen antiken Quellen, sondern auch eine neue, komplexe Theorie von Politik, Gesellschaft und aristokratischer Kommunikation im kaiserzeitlichen Rom, vor deren Hintergrund die Ereignisgeschichte (und die tendenziöse Quellenlage) überhaupt erst verständlich wird. Es
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