Calming Signals
haben. Seufzend behielten wir sie und begannen mit dem
mühseligen Prozeß, sie in unser Rudel aus Hunden und Menschen
einzugliedern.
Es war wirklich eine harte Zeit. Ich kann guten Gewissens sagen,
daß sie der schlimmste Hund war, den ich jemals in meinem Haus
hatte. Doch Stück für Stück, langsam, aber sicher, begannen sich
die Dinge zu bessern. Sie hörte auf, an den Tapeten und Gardinen
hochzuklettern. Ich brauchte sie drinnen nicht mehr anzuleinen, um
die anderen Hunde zu schützen. Sie konnte mit uns
Spazierengehen, ohne ständig nach den anderen zu beißen.
Manchmal gelang es ihr sogar, sich richtig zu entspannen.
Dann, etwa ein Dreivierteljahr nach ihrer Ankunft, kam die endgültige Wende. Eines Tages, als ich die Hunde auf dem Hof
beobachtete, um Anhaltspunkte zu finden oder auf neue Ideen zu
kommen, sah ich plötzlich zu meiner großen Überraschung, daß sie
begann, mit den anderen zu kommunizieren. Die anderen Hunde
hatten es tatsächlich geschafft, mit ihren Signalen und ihrem
Verhalten zu ihr durchzudringen. Vesla selbst sah aus, als hätte sie
gerade ein Weihnachtsgeschenk bekommen. Sie lief strahlend
herum und probierte dieses wunderbare neue Hilfsmittel aus, das
sie gefunden hatte.
Nachdem ich nun gesehen hatte, daß sie dabei war, ihre Hundesprache wieder zu finden, versuchte ich es mit meiner üblichen
Trainingsmethode: Lob und Belohnung für jeden kleinen Schritt in
die richtige Richtung. Jedes Mal, wenn sie die Andeutung eines
beschwichtigenden Signals oder eines anderen höflichen
Verhaltens zeigte, wurde sie gelobt. Mit jedem neuen Tag wurde ihr
Benehmen besser, und ich entdeckte zu meiner Überraschung, daß
es möglich war, ihre eigene Sprache zu verstärken
- und danach entwickelten sich die Dinge so rasend schnell, daß es
fast wie Hexerei erschien. Sie bekam jetzt sowohl von meinen
Hunden als auch von mir Hilfe, und nach kurzer Zeit war Vesla ein
Wunder von sozialverträglichem Hund. Wenige Monate später war
jegliches aggressive Verhalten verschwunden, und von diesem Tag
an bis zu ihrem Tod elf Jahre später kam sie nie wieder in Konflikt
mit einem anderen Hund. Sie hatte die Situation immer unter
Kontrolle und war sich in jedem Fall ganz sicher, was sie tun
mußte, um schwierige Situationen zu entschärfen.
Wenn Hunde sich treffen, vermeiden sie sorgfältig einen frontalen
Kontakt. Gezeigt werden Beschwichtigungssignale wie Kopf oder
Hals des anderen beschnüffeln, einen Bogen schlagen, Geruchskontrolle und den Blick abwenden, um Konflikte möglichst erst gar nicht
aufkommen zu lassen.
Veslas Geschichte ließ mich erkennen, daß es tatsächlich möglich
ist, Hunden die Sprache zurückzugeben, die sie aus irgendeinem
Grund verloren haben. Mein Interesse war geweckt, mir ein wenig
genauer anzusehen, was für ein Kommunikationssystem Hunde
haben. Ich begann mit Problemhunden zu arbeiten, um
herauszufinden, ob aus ihnen normale, gut sozialisierte Hunde
werden können. Das beeinflußt in vielerlei Hinsicht meinen
Lebensstil und ist mein Hauptberuf geworden, obwohl ich mich als
Hundetrainerin auch noch mit vielen anderen Arten der Aus bildung
beschäftige. Das, was ich von Vesla gelernt habe, hat mein Leben
bereichert. Ich verstehe Hunde besser, erkenne genauer, was sie
fühlen, und kann ihnen dadurch leichter helfen. Ich spüre auf
vielfältige Weise, daß ich mit Hunden eng verbunden bin.
Nach diesen Entdeckungen arbeitete ich mit Stäle 0degaard, einem
Kollegen von mir, an einem Projekt über die beschwichtigenden
Signale von Hunden. Im Laufe von ein, zwei Jahren trainierten und
beobachteten wir Hunde; Stäle nahm ungezählte Videos auf, wir
machten Dias und trugen überhaupt enorm viel Material
zusammen. Heraus kam genügend Stoff für Dia- und Filmvorträge,
die wir zusammen in einigen Vereinen zeigten. Dann widmete Stäle
sich wieder mehr seiner Familie und zog sich aus dem Projekt
zurück.
Ungefähr zu dieser Zeit wurden einige Hundetrainer aus dem
Ausland auf mich aufmerksam, und aus den Vorträgen, die wir zusammengestellt hatten, entstand eine englische Präsentation,
vorwiegend mit Lichtbildern. Diese Dias sind längst um die Welt
gegangen, und auch heute noch ist das Interesse an diesem Vortrag groß. Ich bin immer noch vierzehn- bis fünfzehnmal pro Jahr im
Ausland, und es ist immer noch vor allem die Dia-Serie über
Beschwichtigungssignale, die das Publikum sehen will, obwohl ich
mich auch mit anderen Dingen beschäftige.
Ich
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