Calming Signals
Konfliktvermeidung über den Einsatz von
Beschwichtigungssignalen ist genetisch fixiert. Sie ist allen Hunden
in der ganzen Welt zu eigen, unabhängig von Rasse, Größe, Farbe
oder Naturell. Ihr Einsatz ist wirklich universell. Das bedeutet, daß
die Hunde auf der ganzen Welt miteinander kom munizieren
können, wenn sie sich begegnen. Und das bedeutet, daß Sie sich
mit jedem Hund verständigen können, den Sie in irgendeinem Teil
der Welt antreffen. Wenn Sie einen Hund aus Australien oder Afrika
mitbringen würden, könnten Sie sicher sein, daß er die Hunde, die
Sie bereits zu Hause haben, versteht und von ihnen verstanden
wird.
Einige Rassen verwenden eher einfache Signale, weil es besser zu
den ihnen zur Verfügung stehenden Ausdrucksmöglichkeiten paßt.
Für einen Hund mit stark behaartem Gesicht ist es schließlich
effektiver, sich das Maul zu lecken oder den Kopf abzuwenden, als
seine Augenmimik einzusetzen, wie es viele andere Rassen oft tun.
So können Hunde tatsächlich in der gleichen Situation ganz
unterschiedliche Beschwichtigungssignale zeigen. Beispielsweise
kann ein Hund innehalten, still stehen bleiben, den Kopf zur Seite
drehen und sich das Maul lecken, während der Hund, der auf ihn
zukommt, langsam im Bogen um ihn herumgeht, am Boden
schnüffelt und darauf achtet, dem stehenden
Hund die Körperseite zuzuwenden. Ist ein dritter Hund anwesend,
sitzt er vielleicht daneben und gähnt, oder er legt sich auf den
Boden. Ein vierter Hund schnappt sich möglicherweise einen
kleinen Stock und läuft damit herum. Sie geben einander
verschiedene Signale, und sie verstehen sie alle, weil es ihre
eigene Sprache ist, die sie von ihren Vorfahren geerbt haben. Diese
waren Meister des Überlebens, und zwar deshalb, weil sie in ihrem
Rudel für Ruhe und Frieden sorgten. So konnten sie ihre Kräfte für
Jagd und Nahrungsbeschaffung sparen, anstatt sie bei unnötigen
und destruktiven Konflikten innerhalb des Rudels zu verpulvern.
Das Ausdrucksrepertoire des Hundes beinhaltet Drohgebärden, die
auch als distanzfordernde Signale bezeichnet werden. Sie
bestehen aus Zähnefletschen, Knurren, Bellen, Scheinangriff und
Schnappen. Sie haben zum Ziel, das Unbehagen auslösende
Element auf Abstand zu halten, es zu vertreiben. Das, was Hunde
an uns Menschen bedrohlich finden, ist unter anderem zorniges
und aggressives Verhalten, daß wir direkt auf sie zugehen, uns
über sie beugen, sie anstarren, sie festhalten und ähnliches. Ein
Hund wird in der Regel als erstes versuchen, den Bedroher zu
beschwichtigen, es sei denn, die Bedrohung kommt völlig
unerwartet, etwa wenn ein Kind stolpert und auf einen schlafenden
Hund fällt.
Wenn wir in der Nähe eines Hundes sind, haben wir immer die
Wahl: Wir können uns drohend und damit feindlich verhalten oder
beschwichtigend und damit freundlich. Wir haben diese
Wahlmöglichkeit jederzeit, und wie immer wir uns entscheiden, es
wird Auswirkungen auf unsere Beziehung zu diesem Hund haben.
Wenn Sie eine drohende Haltung einnehmen, muß der Konfliktloser
Hund versuchen, Sie zu beschwichtigen. Falls das nicht gelingt,
wird er versuchen, Sie zu vertreiben. Aber warum in aller Welt
sollten wir einem Hund drohend gegenübertreten? Es gibt keinen
Grund dafür und auch keine Entschuldigung.
Von wie vielen Signalen sprechen wir? Wir kennen achtundzwanzig, neunundzwanzig. Manche dieser Signale sind doppelt
belegt, in dem Sinne, daß sie in manchen Situationen einem
anderen Zweck als der Beschwichtigung dienen. Manche werden
blitzschnell, andere länger gezeigt. Es braucht wie gesagt ein wenig
Zeit und Übung, bevor man gelernt hat, sie alle zu erkennen, aber
es ist die Arbeit und den Zeitaufwand wirklich wert. Sie werden in
der Lage sein zu erkennen, was zum Beispiel in Ihrem Hund vor
sich geht, wenn Sie dazwischen gehen, um eine unangenehme
Entwicklung zu stoppen oder ihm aus einer bedrohlichen Situation
herauszuhelfen. Einmal sagte einer meiner Schüler zu mir: Der
Umgang in unserer Familie ist viel freundlicher geworden, weil wir
nicht wollen, daß der Hund durch unsere Streitereien verunsichert
wird. Ein so ruhiges und angenehmes Familienleben wie jetzt
hatten wir noch nie.
Die Hundesprache zu beherrschen kann tatsächlich viele
Konsequenzen haben!
Die soziale Dynamik in einem Wolfsrudel wird oft als
Modell für Interaktionen zwischen Hund und Hund
bzw. Hund und Mensch herangezogen. Ich kenne
Hundehalter (und auch einige Leute, die sich
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