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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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bekam ihn nie zu fassen, im rechten Augenblick entwischte er immer wie ein Aal aus Comacchio, und im Endergebnis war die einzige Zeit, die er wirklich gesessen hatte, eben der Monat mit meinem Großvater gewesen, wegen der Sache mit dem Pferd in Copparo. In San Paolo in Brasilien erwartete ihn Alceste De Ambris, ein genauso verrückter Kerl wie er. De Ambris war aber älter als er, etwa zehn Jahre, und alle verehrten ihn wie einen Meister. Er kam aus einer wohlhabenden Familie, er war reich, hatte aber alles aufgegeben, um mit den Armen zu sein, und auch im Wirtshaus war er der Beste von allen. Er hat die Gewerkschaftsbewegung in Italien erfunden und dabei alles Mögliche angestellt, und tatsächlich musste er fliehen.
    Sie gehörten alle dieser Gruppe der revolutionären Syndikalisten an – De Ambris und Corridoni waren die Führer, und gleich dahinter Rossoni und Mussolini. Und mein Großvater war auf ihrer Seite, weil er mit Rossoni im Gefängnis gesessen hatte.
    Wie bitte, was sagen Sie? Was die revolutionären Syndikalisten wollten? Na, die Revolution natürlich. Das kommt Ihnen jetzt vielleicht ungeheuerlich vor – »Ja, sind das vielleicht die Brigate Rosse?« –, aber das waren schließlich andere Zeiten. Sie hätten damals dabei sein müssen, und zwar auf der Seite der Armen, nicht auf der der Reichen. Wenn Sie arm waren, hatten Sie überhaupt keine Rechte. Nur arbeiten und Gott dafür danken, dass man Ihnen Arbeit gab, denn sogar das war schwierig. Sie waren total überfüllt, die Schiffe, die jeden Tag von Neapel oder Genua aus nach Amerika aufbrachen. Und so und so viele davon waren schrottreif. Sie haben ja keine Vorstellung, wie viele davon untergegangen sind, von wie vielen Leuten man nie mehr was gehört hat und wie viele sich – überzeugt, sie führen nach Kanada – in Argentinien oder gar in Sizilien wiederfanden. Zurück zu Hause. Und von der dritten Klasse machen Sie sich ja gar keinen Begriff. Männer und Frauen unterschiedslos zusammengepfercht in einem einzigen großen Raum, die Notdurft in einem Eimer wie der Topf im Gefängnis, und jeden Morgen die Runde machen und die vor Erschöpfung Gestorbenen einsammeln und ins Meer werfen; und hatte man es dann geschafft, lebend dort – in Nordamerika – anzukommen, wurde man mit Fußtritten behandelt. Illegale Schwarzarbeit. Eine Lohnerhöhung? Sie prügelten einen tot. Und wenn einer zufällig auf der Baustelle vom Gerüst fiel und starb – aber auch, wenn er nicht gleich starb und mit etwas ärztlicher Hilfe hätte gerettet werden können –, wurde er auf einen Lastwagen geworfen und auf dem Land in einen Graben gekippt, »und tschüss«. Sie konnten schließlich nicht riskieren, dass die Aufsichtsbehörde eine Strafe über sie verhängte. Wie sagen Sie, Entschuldigung? Dass man das erst unlängst auch hier bei uns so gemacht hat? Meine Rede!
    Unsere Herren hier in Italien behandelten einen auch nicht besser als die in Amerika, denn sonst wären wir ja hiergeblieben. Zwölfstundentag, auch für die Kinder, und nicht nur auf dem Land, sondern in den Fabriken, mit den Händen in den Transmissionsriemen der Webstühle. Wie viele Unfälle, Sie machen sich keine Vorstellung. Hungerlöhne. Und wenn man sich verletzte, zahlte keiner was, man wurde entlassen und fertig. Man hatte keinerlei Recht, man war weniger wert als ein Stück Vieh. Das Gesetz, sagen Sie? Die Politik, die Bürgerrechte, das Parlament, das albertinische Statut? Das waren Sachen für bessere Herrschaften, nur sie konnten wählen, man selbst hatte keine Rechte. Sie sagen, die Freiheit hat in Italien der Faschismus abgeschafft? Aber in Italien hat es nie Freiheit gegeben, was sollte der Faschismus da abschaffen? Den besseren Herrschaften hat er sie vielleicht genommen, aber die armen Leute hatten sie nie gehabt. Die Frauen konnten 1946 zum ersten Mal wählen, aber vor dem Faschismus durften auch von den Männern nur wenige wählen: Eben nur die besseren Herrschaften, und wir Armen, das Proletariat, zählten weniger als nichts, weniger als die Hacken, mit denen wir arbeiteten, und wenn wir uns versammelten, um zu protestieren oder zu streiken, schickte man die Soldaten, um auf uns zu schließen. Und dann sagen Sie, man soll sich nicht aufregen. Mein Großvater – ein Mensch, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte – hat sich aufgeregt, und da sollten die revolutionären Syndikalisten sich nicht aufregen? Und wozu hatten sie dann dieses Metier gewählt? Sie wollten die

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