Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
würden Ihre Eltern Sie nie wiedersehen. Sie würden immer schlafen, wenn Sie wach werden. Und umgekehrt.«
    Garol trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Setzen Sie das Dokument auf, ich werde es unterschreiben.«
    Sei setzten es auf, er unterschrieb, und fröhlich gingen seine Eltern zum Schlafraum. Sie wußten, daß all ihre Freunde sie beneideten. Sie hatten nicht einmal gefragt, ob Garol wach sein würde, wenn sie aufwachten. Vielleicht hielten sie es für selbstverständlich und würden schrecklich enttäuscht sein. Aber Garol nahm ganz einfach an, daß es ihnen gleichgültig sei.
    Stipocks Strahlungsmesser für geringe Dichten revolutionierte die Physik. Weil ein hochempfindliches Gerät selbst bei den trägsten Elementen fast unendlich geringe Strahlungsmengen registrieren konnte, war es jetzt möglich, die Zusammensetzung jeder Probe praktisch auf ein Molekül genau zu analysieren – ob es sich nun um einen kleinen Felsbrocken oder das Licht eines Millionen von Lichtjahren entfernten Sterns handelte.
    Garols neue Arbeit bestand eher im Katalogisieren als in wissenschaftlicher Tätigkeit – aber es war ihm unmöglich, einen großen Unterschied zwischen Theorie und Praxis der Wissenschaft festzustellen, und er sah darin keinen Widerspruch. Er entwickelte Programme für Stipocks geologisches Gerät, das aus der Umlaufbahn heraus Planeten analysieren und unglaublich genaue Karten über Metalle, Erze und Topographie erstellen konnte; für Stipocks ökologisches Gerät, das alles Leben auf einem Planeten während eines einzigen Umlaufs analysieren konnte; und Stipocks Klima-Analysator, der mit ziemlicher Genauigkeit das Wetter für ein ganzes Jahr voraussagen konnte, klimatische Veränderungen über Jahrhunderte jedoch mit fast perfekter Genauigkeit beschrieb. Es würde noch Jahre dauern, die Geräte zu hoher Effizienz zu entwickeln, aber sobald Garols grundlegende Arbeiten beendet waren, konnten auch weniger begabte Forscher das Projekt weiterentwickeln.
    Es war keine Arbeit, die Garol geistig vollkommen in Anspruch genommen hätte, und den wenigen, die ihn überhaupt kannten, schien es, als sei er entschlossen, sich geistig so frei wie möglich zu halten. Er bat die Frau eines Professors, ihm den Sex zu erklären; sie tat es, und einige Wochen lang übte er an ihr, bis er sich dann daranmachte, auf dem Gebiet so viele Erfahrungen wie möglich zu sammeln, und zwar mit so vielen verschiedenen Partnerinnen wie möglich.
    »Du wirkst nicht sehr beteiligt, wenn wir uns lieben«, beklagte sich eines abends eine Studentin bei ihm.
    »War es gut?« fragte er.
    »Wunderbar«, sagte sie, »aber –«
    »Was verlangst du denn noch«, fragte er. Bald darauf weigerte sie sich, noch einmal mit ihm zu schlafen, aber er sagte ihr, das sei dumm. »Was erwartest du vom Sex«, fragte er, »emotionales Engagement?«
    »Ja«, antwortete sie. »Obwohl mir unerfindlich ist, wieso man ausgerechnet von dir emotionales Engagement erwarten kann.«
    »Wenn irgendeiner von denen, die ihn beobachteten, religiös gewesen wäre, hätte dieser das Muster, dem er folgte, erkannt. Aber wie hätte auch nur einer von ihnen wissen können, daß etwas Ungewöhnliches darin lag, daß Garol sich kurzfristig intensiv mit dem Studium der Geschäfte befaßte, um dann aus den mit seinem Strahlungsmeßgerät verdienten Millionen durch geschickte aber riskante Investitionen auf dem Markt Milliarden zu machen.
    Eine Weile nahm er an Kriegsspielen teil, bis er so viel gewonnen hatte, daß es ihn langweilte. Er probierte jedes alkoholische Getränk, das hergestellt wurde und betrank sich mehrere Male, bis er fand, daß es ihm keinen Spaß machte, und er es aufgab. Er sah sich so oft die Live Shows an, daß die anderen Studenten sich über ihn lustig machten (sie gaben ihm den Spitznamen Glotzi). Er versuchte sich sogar in Homosexualität, was damals nicht Mode war, und gab auch das bald wieder auf.
    Wenn jemand den Sinn verstanden hätte, der hinter seinem Verhalten lag, wenn jemand geglaubt hätte, es sei mehr als jugendliche Experimentierlust in Verbindung mit einem brillanten Verstand, dann hätte seine fortgesetzte Weigerung, Somec zu nehmen wohl einige Sorgen verursacht. Er wurde immer noch in gewissem Ausmaß von seiner Religion gesteuert. Das wußte er; aber er konnte seine Angst vor dem Somec nicht leicht überwinden, und deshalb amüsierte er sich verbissen und arbeitete genauso verbissen, und doch war immer noch die Hälfte seines Verstandes

Weitere Kostenlose Bücher