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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trélov
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nächsten Augenblick waren sie wieder vollkommen hinter den Nachschatten verborgen, die aus seinem Haar und dem Kragen des Umhangs an ihm hochkrochen. Einzig seine körperliche Nähe machte ihn so wirklich, dass ich zu zittern begann.
    „Weshalb verbirgst du dein Gesicht vor mir?“
    Ein Moment des Schweigens. Sein Arm glitt von meiner Schulter. Ich fürchtete, zu weit gegangen zu sein, doch die warme Umhüllung seines Umhangs blieb. Er drehte sich, bis er mir gegenüber stand. Seine Hand kam an sein Gesicht. Es war, als wische er die Nacht zur Seite, und für die Dauer eines Lidschlags flohen die Schatten aus seinen Zügen. Mondlicht flutete durch die Tannen und erhellte seine Züge in silbrigem Glanz.
    „Die Nacht verbirgt mich“, sagte er, „und es ist besser so.“
    Ich betrachtete ihn mit unverhohlener Neugierde. Im Dorf war es selten, dass einem jemand direkt ins Gesicht sah, außer, um einen hasserfüllten Blick zu tauschen. Die Menschen hielten ihre Augen nach innen oder auf den Boden gerichtet, aus Angst, die Priester könnten einen Widerstand in ihnen erkennen und sie in die Flammen werfen.
    Es war wie ein Geschenk für mich, dass der Dämon mich offen ansah, ohne Feindschaft im Blick, ohne Angst oder Hinterlist. Seine grauen Augen glitzerten wie Flussdiamanten und es fiel mir schwer zurückzuhalten, dass ich ihn in diesem Moment wunderschön fand.
    „Weshalb?“, fragte ich. „Was hast du zu verbergen?“
    Er sah mich lange an. Dann senkte er den Kopf und beugte sich vor, bis seine Lippen mein Ohr streiften. „Hmmm“, machte er und schickte ein Kribbeln durch meinen Körper. „Du willst es wirklich wissen, nicht wahr?“
    „Ja“, hauchte ich.
    Mit einem Schlag war der Umhang fort, ebenso sein Besitzer. Plötzlich stand ich frierend im Wald. Allein. In meinem Unterkleid.
    Die Tannen seufzten im Wind, in der Ferne schrie ein Käuzchen und das erste, das mir durch den Kopf geisterte, war ein Märchen, das meine Mutter mir früher immer erzählt hatte.
    Es handelte von einem Mädchen, das sich bei Nacht in den Wald wagt, um Pilze für ihre hungrigen Geschwister zu sammeln. Das Mädchen verläuft sich und ruft um Hilfe, doch niemand hört sie. Da tauchen nebelhafte Geistergestalten zwischen den Bäumen auf, gleiten lautlos über den Waldboden und fallen über das Mädchen her. Als man sie am nächsten Tag findet, lebt sie noch, doch sie hat ihre Stimme verloren. Die Geister haben sie ihr gestohlen.
    Ich atmete zitternd ein und rieb die Hände über meine Oberarme, um wenigstens ein Fünkchen Wärme zu erzeugen. Der Mond hatte sich hinter die Wolken verzogen. Mir ging das Licht aus. Ich konnte nicht mal mehr die Nebelstreifen meines eigenen Atems sehen.
    Irgendetwas krabbelte über meinen großen Zeh, doch anstatt das Insekt wegzuschnicken, bedankte ich mich innerlich für dessen Versuch, mir Gesellschaft zu leisten.
    Mit zusammengekniffenen Augen spähte ich in die Dunkelheit. „Arun?“, flüsterte ich. Jedes lautere Geräusch wäre mir unnatürlich vorgekommen.
    Ein Zweig knackte hinter mir. Ich fuhr herum.
    Nichts als Schwärze herrschte zwischen den Nadeln der Bäume. Doch dann war da noch etwas. Ein dunkles, glühendes Rot, als glimmten dort die Reste eines Feuers hinter den Zweigen.
    Ich schob mir die Haare aus der Stirn und trat einen Schritt nach vorne. „Zeig dich“, rief ich.
    Als habe er bloß auf meine Herausforderung gewartet, löste sich ein gewaltiger Schemen aus der Düsternis, strich zwischen den Tannenzweigen hindurch und auf mich zu. Ich hörte schweren Atem und das knisternde Geräusch von Zweigen, die von einer mächtigen Gestalt auseinandergebogen wurden. Mein Herz schlug hart gegen meine Rippen.
    Was immer da auf mich zukam, war nur noch zwei Schritte von mir entfernt und ich konnte nichts als einen vagen Schatten erkennen. Instinktiv sank ich langsam auf die Knie und streckte eine Hand aus.
    Ein mildes, tiefrotes Glühen nahm vor meinen weit aufgerissenen Augen Gestalt an. Schwarze Reißzähne, so groß wie die eines Ebers, schwebten direkt vor meinen Fingern. Das Glühen wurde heller und ich erblickte das Antlitz einer Bestie mit brennender Haut. Es war größer als jeder Wolf, mit handtellergroßen Pranken, schwarzen Krallen, gebogenen Hörnern, die ihm aus den Schläfen wuchsen und sich bis über den Rücken erstreckten.
    Das Biest blies seinen heißen Atem über meine Hand und blickte mich aus nachtschwarzen Augen an. Ich sah mich selbst in diesen Augen. Eine leuchtende

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