Carina - sTdH 3
Squireaufgebracht.
»Wer?«
»Paulus.«
»Ach so,
der? Natürlich, für ihn war es leicht«, sagte der Vikar leicht höhnisch. »Aber
kümmert es Gott, wenn ich meinen Glauben verloren habe? Sendet er mir Lichter
oder sonst irgendein kleines Wunder herab? Nein. Nicht einmal anständiges
Jagdwetter hat er mir letztes Jahr verschafft.«
»Ich sehe
nicht ein, Charles, warum du behauptest, etwas verloren zu haben, was du nie
besessen hast«, sagte der Squire, während ihm die Zornesröte ins Gesicht stieg.
»Du wirst immer anmaßender. Ohne Demut gibt es keinen Glauben.«
»Predige
nicht«, sagte der Vikar beleidigt. Er goß sich noch einen Brandy ein und
seufzte wieder.
Der Squire
schaute ihn in einer Mischung aus Entrüstung und Mitleid an.
»Du bist
ein großes Kind«, sagte er gütig. »Es ist nicht der Glaube oder sein
Nichtvorhandensein, was dich bekümmert. Es ist das Geld oder sein
Nichtvorhandensein.«
»Ja, das
ist es«, stimmte der Vikar zu. »Du triffst den Nagel auf den Kopf. Zwei reiche
Schwiegersöhne, und ich kann ihrer nicht habhaft werden. Brabington ist jetzt
in Frankreich, und Comfrey ist auch abgereist, um sich ihm anzuschließen.«
»Wirklich?
Ich wußte gar nicht, daß Minerva und ihr Gatte England verlassen haben! Ich
habe es nicht erwartet. Sie wird dir bald einen Enkel bescheren.«
»In zwei
Monaten«, sagte der Vikar verdrießlich. »Und er wird wahrscheinlich französisch
sprechend auf die Welt kommen.«
»Aber was führte Lord Sylvester nach
Frankreich?«
»Ich weiß
es nicht. Er ging vermutlich dorthin wie andere auch. Wenigstens sind sie in
Paris und nicht in Waterloo, um mit einem Stecken zwischen den Toten
herumzustochern.«
»Mein
lieber Charles!«
Es trat
Stille ein. Die Tür öffnete sich, der Diener kam herein und legte zwei große
Schaufeln Kohle nach.
Düster
beobachtete der Vikar, wie sich der graue Rauch in langen Schwaden zu kräuseln
begann. Dann sprangen kleine gelbe Flammen durch den schwarzen Kohlehaufen,
und grüne und blaue tanzten im Gefolge des Kohlegases.
Die
Standuhr in der Ecke tickte laut. Ein starker Windstoß heulte um das Gebäude.
»Es gibt
eine Lösung«, sagte der Vikar schließlich. »Als ich in London war, sprach man
in den Clubs über Lord Harry Desire.«
»Den Sohn des Earl of Carchester?«
»Genau
den.«
»Und?«
Der Vikar
seufzte schwer. »Desire hat einen Onkel, der steinreich ist, Jeremy Blewett. Er
sagt, daß er all sein Geld Desire hinterlassen wird, wenn der Mann heiratet.
Man munkelt, daß Blewett bereits im Sterben liegt.«
»Hat Desire
kein eigenes Vermögen?«
»Nicht
viel. Die Carchesters haben es noch nie zusammenhalten können. Er lebt
aufwendig, der junge Desire. Er gibt mehr für seinen Schneider aus als ich für
meine Meute.«
Der Squire
stellte eine schnelle Kopfrechnung an.
»Unmöglich«,
sagte er schließlich.
»Doch. Er
ist ein arger Dandy.«
»Ich
verstehe nicht, wie dieser junge Mann dir helfen soll. Wie alt ist er?«
»Ende
Zwanzig. Vielleicht dreißig, würde ich sagen.«
»Und du
hast ihn getroffen?«
»Ich
nicht.« Der Vikar zuckte mit den Schultern. »Aber gehört habe ich von ihm.«
»Du wirst
doch nicht etwa an einen Ehemann für Carina denken!«
»Warum
nicht?« fragte der Vikar ärgerlich. »Ich hatte genug Umtrieb mit Minerva und
Annabelle. Eine eingefädelte Hochzeit ist genau das Richtige.«
»Carina ist
eine hochintelligente junge Frau, die weiß, was sie will.«
Der Vikar
wühlte in seinen Rocktaschen herum, bis er einen Gänsekiel fand, worauf er
daranging, in seinen Zähnen herumzustochern, sehr zum Mißvergnügen des
gepflegten Squire. »Hör zu, Jimmy«, grinste der Vikar. »Carina ist weisgemacht
worden, daß sie diejenige mit Köpfchen in der Familie sei, und zwar so lange,
bis sie es selbst geglaubt hat. Aber stell dir vor, sie liest Romane. Da hast
du's!«
»Ich lese
selbst Romane«, protestierte der Squire.
»Das ist
bei einem Mann etwas anderes«, brummte der Vikar. »Wie so viele Laster,
übrigens.«
»Ich
glaube, du machst einen großen Fehler«, sagte der Squire ernsthaft. »Ich weiß
nicht, was in den letzten zwei Jahren in dich gefahren ist, Charles. Du
verschleuderst dein Geld, du bist dazu übergegangen, dich zu schminken und – ja
– du trägst ein Korsett.«
Der Vikar
lief rot an und schaute trotzig. »Ich habe mich nicht verändert«, sagte er und
wurde zusehends ärgerlicher. »Du bist es, der sich verändert hat. Verdammt noch
mal, du bist schlimmer
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