Carinas Todesparties
blickten beide gleichzeitig in die Höhe, ohne uns zuvor abgesprochen zu haben. Über uns wölbte sich der jetzt dunkle Nachthimmel, und darunter sahen wir die Schatten der Bäume mit ihren verschiedenartigen Kronen.
Nirgendwo war der Sprecher zu sehen. Die Stille umgab uns doppelt so stark wie vor der Warnung. Jedenfalls kam es mir so vor. Suko bewegte sich. Unter seinen Sohlen knirschte es, als er auf mich zukam und neben mir stehenblieb. »Hast du auch gehört, wer gesprochen hat?« wisperte er.
»Sicher.«
Suko gab sich mit der Antwort nicht zufrieden. »Es war eine Frau!« erklärte er.
Ich blickte ihm überrascht in die Augen. »Tatsächlich?«
»Ja, ich habe mich nicht geirrt. Das muß eine Frau gewesen sein.«
Ich nickte. Suko besaß ein ausgezeichnetes Gehör. Wenn er das behauptete, stimmte es auch. Wir suchten den Friedhof ab, fanden aber nichts. Auch der Gestank war verschwunden. Aber wir hatten uns nicht geirrt. Dieser Leichengeruch war über den Friedhof geweht, und wahrscheinlich hauste hier ein gefährlicher Ghoul. Verstecke gab es für ihn genug. Ghouls halten sich gern auf Friedhöfen auf. Sie schleichen oft von Grab zu Grab, wühlen sich in Maulwurfmanier durch ihre Gänge, um die Opfer zu erreichen.
Zwanzig Minuten später hatten wir den Ausgang wieder erreicht. Suko schüttelte den Kopf. »Dieser verdammte Dämon hat uns zum Narren gehalten. Mir wäre lieber gewesen, er hätte angegriffen.«
Ich vernahm seine Worte, während ich vor bis zum Wagen ging, der einsam und verlassen parkte. Er stand nicht auf einem Sumpfboden, dennoch kam er mir vor, als wäre er zusammengesunken. Ich lief schneller, schaute nach und stieß einen wütenden Fluch aus.
»Was ist denn?« Suko war bei mir.
»Schau dir die Reifen an. Jemand hat sie zerschnitten.«
»Alle vier?«
»Ja.«
***
Sie hatten sich irgendwann einmal von der Gesellschaft abgesondert und waren getaucht, wie sie es nannten. Untergegangen in einem Hexenkessel, der sich London nannte, und in dem es zahlreiche Verstecke gab, von denen aus man operieren konnte. Sie gehörten zu den jungen Leuten, die null Bock hatten, aber trotzdem ein noch alternativeres Leben führen wollten.
Sie waren auf sich gestellt, sie hielten zusammen, denn sie beherrschten die Gegend unter der Erde. Die Kings der Schächte nannten sie sich. U-Bahn-Tunnel, die langen Bahnsteige, die Wartebänke, die Nischen, das waren für sie die Aufenthaltsorte. Da fühlten sie sich wohl, da feierten sie ihre Feste, da lebten und liebten sie, da betätigten sie sich künstlerisch, denn die Malereien — andere sagten Schmierereien - an den Wänden der Bahnhöfe stammten von ihnen.
Die Kings der Schächte lebten zwar alternativ, aber gewisse Regeln hielten auch sie ein.
Und so brauchten sie jemand, der sie anführte, der sich zu ihrem Sprecher machte, da es genügend Probleme gab.
Sie fanden einen jungen Mann. Er war 25 und hieß Christopher Landon. Eine Bilderbuchkarriere hätte diesem äußerst intelligenten Mann gewinkt, aber Chris sah die Sache anders. Er wollte keinen Leistungsstreß, er wollte keine Gesellschaft und stieg mitten im Studium aus.
Er tauchte unter.
Seine Eltern hatten nach ihm suchen lassen. Er war gefunden worden, doch er hatte ihnen auf eine rüde Weise erklärt, daß er auf alles verzichten würde, auch auf die beiden Häuser.
Die Eltern hatten eingesehen, daß ihr Sohn einen eigenen Weg gehen mußte, und den ging er auch.
Er war der King, und er lebte nach den Regeln, die er selbst aufgestellt hatte. Er kommandierte ein Horde von rund zwölf bis fünfzehn jungen Leuten. Es hatte am Anfang Ärger mit den Beamten der Bahn gegeben, der aber war jetzt vorbei Man akzeptierte die Aussteiger, man fand sich mit ihrem alternativen Leben ab, das sich im Sommer weniger oft in den aufgeheizten und stinkenden U-Bahn-Schächten abspielte. Dann verlagerte die Gruppe ihre Aktivitäten an die Oberwelt.
Sie liebten alles, was den Bürger schockte. Schrille Musik, fetzige Klänge, wilde Kleidung, außergewöhnliches Benehmen, Schminke und ungezügelten Sex.
Jeder konnte sich so geben, wie er wollte. Jeder konnte das tun, was ihm Spaß machte, ein jeder ging seinen Neigungen und Interessen nach. Was sie brauchten, das holten sie sich. Sie lebten, sie aßen und tranken, was der Tag gegeben hatte.
Nicht immer waren alle zusammen. Manche von ihnen verschwanden mal für einige Tage und kamen dann wieder. Die meisten brachten Geld mit, um ein Fest in der Gruppe feiern zu
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