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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten von gestern (Smiley Bd 1)
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schnell durch den Seitenausgang und wartete, im Korridor versteckt, bis zum
letzten Akt geläutet wurde. Mendel kam kurz vor Ende der Pause zu ihm, und
Guillam huschte vorbei, um seinen Posten im Foyer einzunehmen.
    »Jetzt
gibt es Verdruß«, sagte Mendel. »Sie streiten. Sie sieht aus, als ob sie Angst
hätte. Sie scheint immer wieder etwas zu sagen, und er schüttelt nur den Kopf.
Sie ist ganz aus dem Häuschen, glaube ich, und er sieht beunruhigt aus. Er hat
angefangen, im Theater herumzuschauen, als säße er in einer Falle, als prüfte
er Möglichkeiten und machte Pläne. Er hat auch dorthin gesehen, wo Sie sitzen.«
    »Er wird
sie nicht allein gehen lassen«, sagte Smiley. »Er wird warten und zusammen mit
dem anderen Publikum hinausgehen. Sie werden nicht vor Schluß verschwinden. Er
rechnet wahrscheinlich damit, daß er eingekesselt ist. Er wird sein Heil darin
suchen, uns dadurch zu verwirren, daß er sich von ihr plötzlich mitten im
Gedränge trennt - sie eben einfach verliert.«
    »Was
spielen wir eigentlich für ein Spiel? Warum können wir nicht einfach hin und
sie festnehmen?«
    »Wir
warten eben bloß. Ich weiß nicht, weshalb. Übrigens haben wir keine Beweise.
Weder für Mord noch für Spionage, bis sich Maston dazu aufrafft, etwas zu tun.
Aber behalten Sie eines im Auge: Dieter weiß das nicht. Wenn Elsa nervös ist
und Dieter beunruhigt, dann werden sie bestimmt irgend etwas tun - das ist
sicher. Solange sie glauben, daß das Spiel aus ist, haben wir eine Chance. Sie
sollen nur davonlaufen, in Panik ausbrechen, was sie wollen. Bis sie etwas tun
. . .«
    Wieder
wurde es dunkel im Theater, aber als Smiley heimlich hinsah, bemerkte er, daß
sich Dieter zu Elsa beugte und ihr etwas zuflüsterte. Seine Linke hielt ihren
Arm, und seine ganze Haltung war so, als versuche er, ihr etwas dringend
einzureden und sie zu beruhigen.
    Das Stück
ging weiter, die Rufe der Soldaten und das Gekreische des wahnsinnigen Königs
erfüllten das Theater bis zum fürchterlichen Höhepunkt seines schmählichen
Endes, als ein Seufzer aus dem Parkett zu hören war. Dieter hatte jetzt seinen
Arm um Elsas Schultern gelegt, er hatte ihren Schal um ihren Hals geschlungen
und schien sie wie ein schlafendes Kind zu beschirmen. In dieser Stellung
blieben sie bis zum letzten Vorhang. Beide applaudierten nicht. Dieter sah sich
nach Elsas Handtasche um, sagte irgend etwas Aufmunterndes zu ihr und stellte
sie ihr auf den Schoß. Sie nickte ganz leicht. Ein einleitender Trommelwirbel
veranlaßte das Publikum, sich zur Nationalhymne zu erheben - Smiley stand
automatisch auf und bemerkte zu seinem Erstaunen, daß Mendel verschwunden war.
Dieter stand langsam auf, und dabei wurde es Smiley klar, daß etwas passiert
war. Elsa saß noch immer, und obwohl Dieter ihr sanft zuzureden schien, doch
aufzustehen, reagierte sie nicht. Sie saß merkwürdig verrenkt da, und der Kopf
war ihr nach vorn auf die Brust gesunken . . .
    Man
spielte gerade die letzten Takte der Nationalhymne, als Smiley zur Tür stürzte
und durch den Korridor und über die Stiegen hinunter ins Foyer rannte. Er kam
gerade einen Augenblick zu spät, denn der erste Schwall von eiligen
Theaterbesuchern, die auf der Suche nach Taxis auf die Straße drängten, kam ihm
schon entgegen. Er sah sich in der Menge verzweifelt nach Dieter um, wußte
aber, daß es hoffnungslos war. Daß Dieter das getan hatte, was er selbst getan
haben würde: nämlich einen der Notausgänge benutzt hatte, die auf die Straße
führten, wo er in Sicherheit war. Er arbeitete sich mit seinen breiten
Schultern langsam mitten durch die Menschenmenge gegen den Eingang zum Parkett
durch. Sich zwischen den Körpern der ihm Entgegenkommenden bald hierhin, bald
dorthin wendend und durchdrängend, sah er Guillam, der am Rande des
Menschenstromes stand und verzweifelt nach Dieter und Elsa Ausschau hielt. Er
rief ihn an, und Guillam drehte sich schnell um.
    Smiley
schob sich weiter vor und langte schließlich bei der niedrigen Trennwand an, wo
er Elsa sehen konnte, die bewegungslos dasaß, während überall die Männer
aufstanden und die Frauen nach ihren Umhängen und Handtaschen griffen. Dann
hörte er den Schrei. Er kam plötzlich und war kurz und erfüllt von heftigstem
Schrecken und Ekel. Ein Mädchen stand im Gang und blickte Elsa an. Sie war jung
und sehr hübsch. Die Finger ihrer rechten Hand hatte sie an den Mund gepreßt,
und ihr Gesicht war totenbleich. Ihr Vater, ein großer, blasser Mann, stand
hinter

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