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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten von gestern (Smiley Bd 1)
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gaben in der Eile den Chauffeuren viel zuviel
Trinkgeld und suchten dann fünf Minuten nach ihren Karten. Smiley ließ sich von
seinem Taxichauffeur hinter dem Theater, vor dem Hotel Clarendon, absetzen
und befahl ihm dann zu warten. Er selbst ging sofort in den Speisesaal und zur
Bar.
    »Ich
erwarte jeden Augenblick einen Anruf«, sagte er. »Mein Name ist Savage. Bitte
rufen Sie mich sofort, wenn er kommt.«
    Der Mann
an der Bar nahm das Telefon und sprach mit der Hauszentrale.
    »Und dann
einen kleinen Whisky mit Soda, bitte. Wollen Sie selbst einen haben?«
    »Danke
sehr, mein Herr, ich rühre so etwas nie an.«
     
    Der
Vorhang ging vor einer schwach erleuchteten Bühne hoch, und Guillam, der
verstohlen nach hinten in den Zuschauerraum sah, versuchte zuerst ohne Erfolg,
die plötzliche Dunkelheit zu durchdringen. Langsam gewöhnten sich seine Augen
an das spärliche Licht, das die Lampen der Notbeleuchtung verbreiteten, und
endlich konnte er in dem schwachen Schimmer Elsa erkennen. Und den noch immer
leeren Platz neben ihr.
    Von dem
Gang, der längs der Hinterseite des Zuschauerraumes verlief, waren die
Parkettsitze nur durch eine niedrige Wand getrennt. Dort befanden sich Türen,
die zur Bar, dem Foyer und den Garderoben führten. Einen kurzen Augenblick
ging eine dieser Türen auf, und ein schräger Lichtstrahl traf Elsa Fennan, als
geschähe es mit Absicht. Er beleuchtete in einer schmalen Linie die eine Seite
ihres Gesichtes, wobei durch den Kontrast die Schatten ihrer Züge schwarz
erschienen. Sie beugte den Kopf ein wenig, als ob sie auf etwas horche, erhob
sich halb von ihrem Sitz, setzte sich wieder hin, als hätte sie sich
getäuscht, und verharrte in ihrer früheren Stellung.
    Guillam
fühlte Mendels Hand auf seinem Arm, drehte sich zu ihm und bemerkte, daß sein
hageres Gesicht vorgeneigt war und an ihm vorüberschaute. Dem Blick Mendels
folgend, sah er auf die Treppen am Eingang hinunter, wo eine hohe Gestalt
langsam zu den Parkettsitzen ging. Der Mann bot einen eindrucksvollen Anblick.
Er war groß und schön, und in der Stirn hing ihm eine schwarze Locke. Dieser
elegante Riese, der da den Gang hinaufhinkte, war es, den Mendel so fasziniert
beobachtete. Es war etwas Ungewöhnliches an ihm, etwas Fesselndes und Verwirrendes.
Guillam verfolgte durch sein Glas, wie er langsam und entschlossen weiterging,
und er bewunderte die Grazie und die Gemessenheit seines ungleichmäßigen
Ganges. Es war ein besonderer Mann, einer, an den man sich erinnert, ein Mann,
der in unserem Innersten eine Saite zum Schwingen bringt, einer, der überall
die Situation zu beherrschen wußte. Guillam kam er wie das lebendige Ebenbild
aller unserer Träume vor, er stand am Mast mit Conrad, fand mit Byron das
verlorene Griechenland, besuchte mit Goethe die Schatten der klassischen und
mittelalterlichen Unterwelten.
    In der
Art, wie er sein gesundes Bein nach vorn warf, lag ein Trotz und eine
Beherrschung, die man nicht übersehen konnte. Guillam beobachtete, wie die
Leute im Zuschauerraum nach ihm die Köpfe umdrehten und wie ihm Augen gehorsam
folgten.
    Guillam
drückte sich an Mendel vorbei und ging schnell durch den daneben befindlichen
Notausgang hinaus auf den Korridor, der dahinter lag. Er folgte dem Gang und
kam schließlich über einige Stufen in das Foyer. Die Kasse hatte schon zu, aber
das Mädchen brütete noch über einem Blatt voll mühselig zusammengestellter
Zahlen, von denen viele ausgebessert oder durchgestrichen waren.
    »Entschuldigen
Sie bitte«, sagte Guillam, »aber ich muß rasch Ihr Telefon benutzen. Es ist
sehr dringend. Darf ich?«
    »Psch!«
Sie winkte ihm ohne aufzusehen ungeduldig mit dem Bleistift. Ihr Haar war
unansehnlich, ihre fette Haut glänzte als Folge der Ermüdung später Abende und
einer Diät, die wohl aus Kartoffelchips bestand. Guillam wartete einen Moment.
Wie lange es wohl dauern würde, bis sie eine Lösung für das Durcheinander von
spinnenhaften Zahlen gefunden hatte, die zu dem Haufen von Noten und Silbergeld
in der offenen Handkasse neben ihr paßten.
    »Hören Sie
zu«, drängte er. »Ich bin Polizeibeamter - da sind ein paar Helden oben, die
hinter Ihrer Kasse her sind. Wollen Sie mich also zum Telefon lassen?«
    »O Gott«,
sagte sie mit müder Stimme und sah ihn zum erstenmal an. Sie trug Augengläser
und war sehr häßlich. Sie war weder erschrocken noch beeindruckt. »Das wäre
mein größter Wunsch, daß sie das Geld nähmen. Es treibt mich schon die Wände
hoch.« Sie

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